IFG-Antrag: Sozialministerium fordert 3.500 Euro und verweigert rechtzeitige Beantwortung // Damm: „Vorgehen der Landesregierung untergräbt Arbeit der Abgeordneten“

Der jugendpolitische Sprecher der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Hannes Damm, stellte im August 2023 einen Antrag auf Auskünfte beim Sozialministerium gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz. Damit möchte Damm, der auch stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission „Jung sein in MV“ des Landtags ist, Informationen zum Entwurf des „Kinder- und Jugendbeteiligungsgesetzes“ erhalten, welcher im Juli 2023 durch das Sozialministerium veröffentlicht wurde und bereits mehrfach zu kritischen Debatten in der Fachwelt und der Öffentlichkeit geführt hat.

Damm erhofft sich Antworten auf Fragen wie diese: Wie konnte es dazu kommen, dass Kinder und Jugendliche nicht an der Erarbeitung des Gesetzentwurfs partizipieren konnten? Weshalb spiegeln sich Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis im Entwurf kaum wider? Warum werden 19- bis 26-Jährige nicht berücksichtigt?

Bisher hat Damm vom Ministerium keine inhaltlichen Unterlagen zu seinem Antrag erhalten. Stattdessen wurde ihm mitgeteilt, dass er erst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens im Landtag Informationen erhalten wird. Dies steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu IFG-Anfragen. Zudem wurde Damm eine Kostenfestsetzung über 3.500 Euro zugestellt. Laut einer Kleinen Anfrage der Parlamentarischen Geschäftsführerin der bündnisgrünen Landtagsfraktion, Constanze Oehlrich, handelt es sich dabei wohl um einen bisher einzigartigen Vorgang. Ihre Anfrage ergab, dass in den Jahren von 2019 bis 2023 in der Staatskanzlei und den Ministerien kein Kostenbescheid über mehr als 800 Euro versendet wurde.

„Das Vorgehen der Landesregierung untergräbt die Arbeit der Abgeordneten“

Hannes Damm kommentiert den IFG-Antrag und den Bescheid des Ministeriums wie folgt: „Das Vorgehen der Landesregierung untergräbt die Arbeit der Abgeordneten. Wie sollen wir uns ein umfassendes Bild von den Sachverhalten verschaffen, wenn grundlegende Informationsrechte nicht respektiert werden? Der Umgang mit Informationsrechten erreicht einen neuen Tiefpunkt.

Bereits im Dezember 2023 legte ich Widerspruch gegen den Bescheid des Sozialministeriums ein. Auch die Entscheidung über diesen Widerspruch steht seit Langem aus. Das Gesetz soll diese Woche im Landtag verabschiedet werden.“

„Es gibt keine Berechtigung, die Herausgabe der Informationen zu verweigern“

Damm weist auf gleich mehrere Probleme hinsichtlich des Umgangs mit dem IFG-Antrag hin: „Das Sozialministerium handelt nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Unter Verweis auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wird angekündigt, erst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens Informationen herauszugeben. Doch bereits ab dem Moment der Veröffentlichung des Entwurfs hätten Informationen erteilt werden müssen. Dieses Kriterium ist seit Juli 2023 erfüllt. Es gibt daher keinerlei Berechtigung, die Herausgabe der Informationen zu verweigern. Angesichts der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die ich auch in meinem Widerspruch verwiesen habe, bleibt unklar, woher diese eigenwilligen Auffassungen im Ministerium kommen. Die Landesregierung versucht offenbar mit abenteuerlichen Rechtspositionen zu verhindern, dass möglicherweise unangenehme Informationen rechtzeitig vor dem Landtagsbeschluss bekannt werden.“

Das Sozialministerium hat für die IFG-Anfrage einen Kostenbescheid über 3.500 Euro versendet, obwohl die Kosten zuvor durch die Behörde auf 500 Euro geschätzt wurden. Auf Grundlage der Kostenschätzung hielt Hannes Damm die weitere Bearbeitung der IFG-Anfrage aufrecht. Damm: „Als Abgeordneter und Bürger muss man sich auf solche Angaben verlassen können. Generell ist es nicht hinnehmbar, wenn unser Sozialministerium mit derart hohen Kostenbescheiden auf IFG-Anfragen reagiert. Da liegt schnell der Verdacht nah, dass sich hier jemand unangenehme Fragen mit hohen Gebührenbescheiden vom Hals halten will.“


Hintergrund:

Die Forderung des Sozialministeriums über 3500 Euro wurde zunächst beglichen. Zeitgleich hat Hannes Damm Widerspruch zum Kostenbescheid eingelegt. Bis heute erhielt er darauf keine Reaktion.

Die Vorlage von Akten ist in Artikel 40 Absatz 2 Satz 2 der Landesverfassung geregelt. Danach hat die Landesregierung den vom Landtag eingesetzten Ausschüssen in deren jeweiligen Geschäftsbereichen auf Verlangen der Mehrheit ihrer Mitglieder Akten vorzulegen. Anders als das Fragerecht ist das Aktenvorlagerecht nicht als Minderheitenrecht ausgestaltet. Dabei „ist zu berücksichtigen, dass jeder Bürger nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) das Recht zur Akteneinsicht geltend machen kann. Es würde zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn der einzelne Bürger unter den Voraussetzungen des IFG Akteneinsicht verlangen könnte, dem Abgeordneten aufgrund seiner Organstellung dieses Recht verwehrt würde.

Dem Abgeordneten stehen daher zumindest die Akteneinsichtsrechte zu, die ihm auch als Bürger zustehen würden, ohne dass es dazu eines Beschlusses des Landtags bedarf.“ (siehe dazu Dirk Zapfe, in: Kommentar zur Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Auflage, S. 312). Die in Artikel 40 Absatz 1 Satz 1 der Landesverfassung geregelten und in § 64 der Geschäftsordnung des Landtages näher ausgestalteten Kleinen Anfragen dürfen sich demgegenüber nur „auf einen bestimmten Sachverhalt beziehen und müssen so formuliert sein, dass sie von der Landesregierung in kurzer Form beantwortet werden können.“

Aus dem zweiten Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 27. April 2021 zum „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“: „Dieser endet, wenn und soweit die Bundesregierung Zwischenergebnisse erreicht oder Positionierungen ausgearbeitet hat und schon diese zur Grundlage ihres nach außen gerichteten Handelns macht. Die Willensbildung der Bundesregierung ist in derartigen Fällen jedenfalls abgeschlossen, wenn sie mit ihrer Initiative aus dem Bereich der regierungsinternen Abstimmung hinaustreten und mit einer eigenen, auch nur vorläufigen Position in einen Abstimmungsprozess mit Dritten eintreten will.“

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/04/es20210427_2bve000415.html

Dieses Kriterium des BVerfG ist mit der Veröffentlichung des Entwurfs auf der Website des Sozialministeriums MV am 12. Juli 2023 erfüllt. Somit kann der „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ nicht als Grund zur verspäteten Beantwortung dienen.


Hinweis:

Kleine Anfrage der Abgeordneten Constanze Oehlrich, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Bearbeitungskosten für Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz“ inkl. Antwort der Landesregierung (Drucksache 8/2778) vom 2. Januar 2024


In der heutigen Landtagssitzung wurde der Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Bodenverbrauch in Mecklenburg-Vorpommern reduzieren, zentrale Ortslagen stärken" beraten. Hannes Damm, Sprecher der bündnisgrünen Landtagsfraktion für nachhaltiges Bauen und Klima, begründet die Initiative: „Jeden Tag werden in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich vier Hektar neuer Siedlungs- und Verkehrsflächen ausgewiesen. Verglichen mit den bundesweiten Zahlen liegt unser Land damit deutlich über dem Durchschnitt."
Hannes Damm MdL
Jugendpolitischer Sprecher