Heute wurde vor dem Landesverfassungsgericht Greifswald das Urteil über eine Klage des bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Hannes Damm gegen die Landesregierung verkündet. Das Gericht gab dem Kläger dabei in allen Punkten Recht. In dem Organstreitverfahren ging es um die Verletzung des parlamentarischen Fragerechts nach Artikel 40 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern durch die unvollständige Beantwortung der Kleinen Anfrage 8/379 „Akteurinnen/Akteure, Treffen und Korrespondenzen im Kontext der Klimastiftung“. Der Abgeordnete Damm zeigte sich über den Ausgang des Verfahrens erfreut. Zugleich forderte er von der Landesregierung endlich vollständige Transparenz:
„Das Gericht hat heute den Verfassungsbruch durch Minister Christian Pegel vollumfänglich bestätigt. Damit folgen die Richter*innen der Auffassung meiner Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die Landesregierung wichtige Informationen in der Causa Nord Stream 2 und Klimastiftung zurückhält.“
Das vollständige Urteil des Landesverfassungsgerichts Greifswald finden Sie hier (PDF).
Das Landesverfassungsgericht stellt fest, dass sich das Fragerecht der Abgeordneten nicht allein auf veraktete Informationen beschränke. Vielmehr müsse der Zugriff auf sämtliche Informationen, also auch auf E-Mails, SMS, Gesprächsnotizen oder Erinnerungen, gewährleistet werden, um zu verhindern, dass „Wissen an den Akten vorbeigeführt werden könne“. Die Richter*innen betonen, dass dem Landtag nach der Landesverfassung die Aufgabe zukomme, die Landesregierung zu kontrollieren. Dieser Aufgabe könne der Landtag nur dann nachkommen, wenn er am Wissen der Landesregierung beteiligt werde. Parlamentarische Anfragen seien daher vollständig und klar zu beantworten.
„Urteilsspruch muss ein Weckruf für die Landesregierung sein“
Damm: „Durch das heutige Urteil sehen wir unsere Gründe für die Rücktrittsforderungen von höchster Stelle bekräftigt. Christian Pegel ist in seinen Amt als Innenminister nicht mehr glaubwürdig. Der Urteilsspruch muss ein Weckruf für die Landesregierung sein. Die Behinderung von Aufklärungsarbeit ist nicht mit den Prinzipien der Gewaltenteilung in unserem Land vereinbar. Insofern geht von dieser Rechtssprechung auch ein wichtiges Signal aus: Gewinner sind Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“
„Mit der offensichtlichen Verschleierungsstrategie muss endlich Schluss sein“
„Wir erwarten nun von der Landesregierung, dass sie das Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Anlass nimmt und endlich sämtliche Informationen offenlegt. Die lückenhafte Beantwortung meiner Kleinen Anfrage muss nachgebessert werden. Mit der offensichtlichen Verschleierungsstrategie, die sich über gelöschte E-Mails, verschwundene SMS, vorenthaltene Akten und angebliche Gedächtnislücken erstreckt, muss endlich Schluss sein. Insbesondere Minister Pegel, der als Architekt der Klimastiftung eine zentrale Rolle eingenommen hat, ist aufgefordert, konstruktiv und umfassend an der Aufklärung mitzuarbeiten – sowohl im Hinblick auf das Fragerecht der Abgeordneten als auch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Nur durch vollständige Transparenz kann die Landesregierung verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbauen.“
Hintergrund:
Hannes Damm, Abgeordneter der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern, hatte die Kleine Anfrage „Akteurinnen/Akteure, Treffen und Korrespondenzen im Kontext der Klimastiftung“ im Februar 2022 eingereicht. Die Antwort der Landesregierung erfolgte im März 2022 durch Innenminister Christian Pegel. Im Nachhinein wurden zahlreiche Treffen von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und verschiedener Kabinettsmitglieder mit Vertreter*innen aus der Gaswirtschaft und insbesondere der Nord Stream 2 AG bekannt, die in der offiziellen Antwort auf die Kleine Anfrage fehlten. Dazu zählen zum Beispiel Meetings mit dem damaligen Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG, Matthias Warnig, oder mit dem SPD-Altbundeskanzler Gerhard Schröder.
Des Weiteren fehlt bis heute eine erste Version des Satzungsentwurfs für die Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern. Den Parlamentarier*innen vorgelegt wurde nur ein zweiter Entwurf. Dabei weisen Dokumente darauf hin, dass die international tätige Wirtschaftskanzlei „Freshfields Bruckhaus Deringer“ als Verfasserin eines ersten Satzungsentwurfs infrage kommt. Die Kanzlei arbeitete zu der fraglichen Zeit eng mit dem russischen Staatskonzern Gazprom und der Nord Stream 2 AG zusammen. Der damalige Energieminister und heutige Innenminister Christian Pegel betonte in der Vergangenheit derweil immer wieder, die Satzung im Wesentlichen selbst verfasst zu haben. Die Beteiligung einer Anwaltskanzlei verneinte Pegel wiederholt – ebenso wie die Existenz einer Vorläuferversion.
Hinweise:
Urteil des Landesverfassungsgerichts Greifswald vom 25. Januar 2024
Pressemitteilung des Landesverfassungsgerichts „Organstreitverfahren wegen Verletzung des parlamentarischen Fragerechts erfolgreich (,Klimastiftung‘)“ vom 25. Januar 2024
Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern, Artikel 40: Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten, Aktenvorlage durch die Landesregierung (Auszug):
(1) Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen haben die Landesregierung oder ihre Mitglieder dem Landtag und seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Die gleiche Verpflichtung trifft die Beauftragten der Landesregierung in den Ausschüssen des Landtages.
(2) Die Landesregierung hat jedem Abgeordneten Auskünfte zu erteilen. Sie hat den vom Landtag eingesetzten Ausschüssen in deren jeweiligen Geschäftsbereichen auf Verlangen der Mehrheit ihrer Mitglieder Akten vorzulegen. Die Auskunftserteilung und die Aktenvorlage müssen unverzüglich und vollständig erfolgen.
Kleine Anfrage des Abgeordneten Hannes Damm (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) „Akteurinnen/Akteure, Treffen und Korrespondenzen im Kontext der ,Klimastiftung’“ (Drucksache 8/379) inklusive Antwort der Landesregierung vom 30. März 2022