Kürzlich wurde bekannt, dass die Landesregierung zum Ende des Monats die Mittel für CORA – Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt in M-V streichen wird. Anstelle von CORA soll zukünftig eine einzelne neue Stelle in der Landesverwaltung die Aufgaben übernehmen und zusätzlich die dringend nötige Landesstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention erarbeiten. Vor diesem Hintergrund hat die BÜNDNISGRÜNE Landtagsfraktion einen Dringlichkeitsantrag zur heutigen Sitzung des Landtags eingebracht, mit dem die Fortsetzung der bisherigen Förderung möglich wäre. Die Regierungsfraktionen lehnten die Dringlichkeit des Antrag ab, entzogen sich damit einer Debatte zur Thematik und zementierten damit endgültig das Ende der Förderung von CORA.
Constanze Oehlrich, Vorsitzende und gleichstellungspolitische Sprecherin der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern, bedauert diese Entscheidung zutiefst:
„Für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt ist das eine fatale Entscheidung. Das Hilfenetz wird um Jahre zurückgeworfen, umfassende Expertise geht verloren. Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von CORA für ihren unermüdlichen Einsatz für die Sache.“
Hintergrund:
Alle 45 Minuten wird eine Frau in Deutschland durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt. Jeden dritten Tag tötet ein Mann seine Ex-Partnerin oder seine Partnerin. Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter, sie reicht von sexueller Belästigung bis zum Femizid. Als 26 Jahre gewachsene und etablierte Institution ist die Landeskoordinierungsstelle CORA für die Umsetzung des Artikels 10 Absatz 1 Satz 1 Istanbul-Konvention unerlässlich. Bereits 2022 appellierte GREVIO, ein unabhängiges Menschenrechtsüberwachungsgremium, das die Umsetzung der Istanbul-Konvention durch die Vertragsstaaten überwacht, dass Frauen-NGO‘s weiterhin systematisch in die Politikgestaltung einzubeziehen seien. Darüber hinaus wird die zentrale Rolle von NGO‘s bei der Entwicklung von Landesstrategien hervorgehoben: „GREVIO betont, wie wichtig es in einem Konsultationsprozess ist, dass alle relevanten Parteien, einschließlich NGO‘s, einbezogen werden, um ein Strategiepapier zu entwickeln, das einen Rahmen für ein sektorübergreifendes Engagement auf der Grundlage gemeinsamer Grundsätze und Ziele für Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen auf der Grundlage der Istanbul-Konvention bietet.“ (Quelle 1) In Anwendung auf Mecklenburg-Vorpommern kam auch die jüngst veröffentlichte Evaluation des Dritten Landesaktionsplans zu dem Ergebnis, dass die Expertise der Landeskoordinierungsstelle CORA nicht nur erhalten, sondern zudem erweitert werden sollte (Quelle 2). Die Evaluation wurde erst nach der Bekanntgabe der Schließung CORA‘s veröffentlicht, sollte angesichts ihrer weitreichenden Handlungsempfehlungen jedoch dringend bedacht werden. Über den Erhalt und die Erweiterung CORA‘s hinaus, soll laut Evaluation zudem eine Koordinierungsstelle innerhalb der Landesverwaltung aufgebaut werden, die entsprechend ausgestattet, ressortübergreifend eine Strategie entwickelt und den Prozess der Umsetzung vorantreibt. Um die Istanbul-Konvention vollumfänglich umzusetzen müssen also die einzelnen Maßnahmen des Innen-, Justiz-, Sozial- und Bildungsministerium unter Einschluss von CORA als unabhängiger Vernetzungs- und Koordinierungsstelle des Hilfenetzes in der „Koordinierungsstelle Istanbul-Konvention“ gebündelt werden.
Quelle 1: GREVIO‘s (Basis) Evaluierungsbericht über gesetzliche und weitere Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) DEUTSCHLAND, S. 21
Quelle 2: Richter, L. und Schiemann, S. (2024), Bekämpfung häuslicher und sexualisierter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern. Evaluation des Dritten Landesaktionsplans zur Bekämpfung von häuslicher und sexualisierter Gewalt unter dem Vorzeichen der Umsetzung der Istanbul-Konvention mit Schwerpunkt auf dem Beratungs- und Hilfenetz, S. 153 ff.