Verfassungschefs in der Zeugenvernehmung // Oehlrich: „Trotz Hinweisen auf mögliche Rechtsverstöße gab es keine Aufarbeitung durch LKA und Innenministerium“

In der gestrigen 100. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „NSU II/Rechtsextremismus“ stand die öffentliche Zeugenvernehmung sowohl des früheren als auch des heutigen Verfassungsschutzchefs (Abteilung 5 im Innenministerium) im Mittelpunkt. Thema war unter anderem die jahrelange Zusammenarbeit des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern mit der privaten Firma „Baltic Shooters“, die im Bericht der Expert*innenkommission zum SEK offen gelegt wurde.

Trotz Hinweisen auf mögliche Rechtsverstöße keine Aufarbeitung durch LKA und Innenministerium

Constanze Oehlrich, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern, erklärt dazu: „Die Kommission hat festgestellt, dass sich das LKA über Jahre hinweg auf eine private Firma einließ und diese auch an kampfmäßigen Schießtrainings beteiligte – obwohl das waffenrechtlich unzulässig war. Dass solche Übungen durch private Anbieter organisiert und durchgeführt wurden, während das LKA dies duldete, ist nicht akzeptabel.

Obwohl es früh Hinweise auf mögliche Rechtsverstöße gab, haben weder das LKA noch das Innenministerium die Zusammenarbeit mit der Firma ‚Baltic Shooters‘ kritisch hinterfragt oder im Nachhinein aufgearbeitet. Doch wer polizeiliche Aufgaben freiwillig auslagert, bleibt für deren rechtmäßige Erfüllung verantwortlich. Mögliche Verstöße gegen das Waffenrecht gehören aufgeklärt – alles andere gefährdet das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des Behördenhandelns.“

Zentrale Passagen im SEK-Bericht erst auf Antrag entschwärzt

„Dass zentrale Passagen des Berichts der SEK-Kommission zunächst geschwärzt waren und erst auf meinen Antrag hin offengelegt wurden, wirft die Frage auf, wer bei der 2022 behaupteten Transparenz was verbergen wollte. Ich erwarte von Innenminister Christian Pegel, dass die Vorgänge – auch im eigenen Haus – umfassend untersucht werden.“


Hintergrund:

Im Jahr 2019 untersuchte eine vom Innenministerium eingesetzte Expert*innenkommission die Vorgänge im Spezialeinsatzkommando (SEK) und übergab dem Ministerium einen Abschlussbericht. 2022 wurde dieser Bericht veröffentlicht, allerdings mit zahlreichen Schwärzungen. Der SEK-Bericht beschreibt die langjährige, zunehmend enge Zusammenarbeit zwischen dem Landeskriminalamt (LKA) Mecklenburg-Vorpommern und der privaten Firma „Baltic Shooters“ im Zusammenhang mit den sogenannten Special Forces Workshops (SFW), bei denen polizeiliches Schießtraining und Fachmessen kombiniert wurden.

Bereits 2009 traten erste waffenrechtliche Bedenken auf, da die Firma als privater Veranstalter nicht berechtigt war, kampfmäßiges Schießen durchzuführen. Zur Umgehung der rechtlichen Hürden wurde 2010 eine Konstruktion gefunden: Das LKA sollte offiziell Träger der schießintensiven Teile der Workshops sein, während „Baltic Shooters“ als Organisator fungierte. In der Praxis jedoch führte nach Einschätzung der SEK-Kommission nicht nur das LKA, sondern auch die Firma selbst wesentliche Teile der Übungen durch. Dies stelle einen Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 2 AWaffV dar – eine Ordnungswidrigkeit, die laut Bericht wissentlich durch das LKA geduldet wurde. Trotz formaler Aufgabenteilung wurde in der Außenwahrnehmung keine klare Trennung zwischen LKA und der Firma erkennbar – nicht zuletzt durch die Schirmherrschaft des Innenministers und die Beteiligung von LKA-Mitarbeitenden ab 2016 an Organisation, Logistik und Sicherheit.

Die Bewertung des SEK-Berichts fällt kritisch aus: Die Zusammenarbeit sei „naturwüchsig“, aber zuletzt zu eng gewesen. Die Verantwortlichkeiten seien unklar, eine kritische Auseinandersetzung durch LKA oder Innenministerium nicht erfolgt. Private Dienstleister*innen wurden im Kernbereich polizeilicher Zuständigkeit eingebunden, was zu Abhängigkeiten und Know-how-Abfluss geführt habe.

Besonders brisant: Zentrale Passagen des Berichts waren in der 2022 veröffentlichten Fassung geschwärzt und wurden erst nachträglich entschwärzt – darunter die Feststellung, dass das LKA die rechtlich problematische Durchführung über Jahre duldete und keine interne Aufarbeitung stattfand.


Constanze Oehlrich MdL
Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin