Bewaffnete Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen // Oehlrich: „Jeder Tag, an dem diese Leute Zugang zu Waffen haben, ist einer zu viel“

Die Zahl der Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen, die eine scharfe Schusswaffe besitzen, bleibt auf hohem Niveau. Nach Angaben der Landesregierung verfügen 50 Rechtsextremist*innen und acht Reichsbürger*innen über eine Waffenbesitzkarte und insgesamt mehr als 300 Waffen. Noch etwas mehr Personen aus diesen Bereichen haben einen kleinen Waffenschein. Die Landesregierung geht davon aus, dass mehr als 120 Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen legal Waffen besitzen könnten. Hinzu kommen drei Personen aus dem Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ mit 21 Waffen. Dies geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Constanze Oehlrich hervor.

Dazu erklärt Constanze Oehlrich, innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern:

„Die Landesregierung kommt bei der Entwaffnung von Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen zu langsam voran. Auch wenn 2021 und 2022 mehr Waffenbesitzkarten entzogen wurden als in den Vorjahren, reicht das noch lange nicht aus. Wenn dieses Tempo fortgesetzt wird, dauert es noch Jahre, bis alle Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen entwaffnet sind. Und dieses Jahr liegt die Zahl der entzogenen Waffenbesitzkarten noch bei Null. Jeder Tag, an dem diese Leute Zugang zu Waffen haben, ist einer zu viel.

Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, brauchen die Waffenbehörden mehr Personal. Die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zeigt, dass es bei der personellen Ausstattung der Waffenbehörden erhebliche Unterschiede zwischen Kreisen und kreisfreien Städten gibt. So steht dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte weniger als eine Vollzeitstelle für waffenrechtliche Kontrollen zur Verfügung, obwohl in diesem Landkreis die meisten Waffen im Umlauf sind. In der Stadt Rostock mit drei entsprechenden Stellen fänden dagegen auch deutlich mehr Kontrollen statt. Nur dort gab es in den letzten Jahren zusätzliches Personal.

Übrigens lohnt es sich, die rechtlichen Möglichkeiten zur Entwaffnung von Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen auszuschöpfen: In neun von zehn rechtskräftigen Entscheidungen bestätigten die Gerichte, dass die jeweilige waffenrechtliche Erlaubnis entzogen werden darf.“


Hintergrund:

In der Antwort auf die kleine Anfrage (Drs. 8/2122) gab die Landesregierung folgende Zahlen zur Bewaffnung von Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen¹ bekannt:

61 Waffenbesitzkarten (50 Rechtsextremist*innen, 8 Reichsbürger*innen, 3 Delegitimer*innen), insgesamt 323 Waffen (insbesondere Faustfeuer- und Langwaffen) (Frage 1)
64 kleine Waffenscheine (51 Rechtsextremist*innen, 12 Reichsbürger*innen, 1 Delegitimer*innen) (Frage 2)
58 Entziehungen waffenrechtlicher Erlaubnisse seit 2017: in 9 von 10 gerichtlichen Entscheidungen zu Entziehungen wurden diese bestätigt (Frage 3)
3 Rechtsextremist*innen mit Erlaubnis zum Herstellen und Handeln von Waffen (Frage 5)
1 Rechtsextremist mit Erlaubnis zum Betreiben eines Schießstandes (Frage 6)
5 x keine Hinweise zu extremistischen Bestrebungen an Verfassungsschutz wegen Quellenschutz (Frage 10)


Hinweise:

Kleine Anfrage „Stand der Entwaffnung von Rechtsextremen sowie von Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern“ der Abgeordneten Constanze Oehlrich (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) inkl. Antwort der Landesregierung (Drucksache 8/2122) vom 1.6.2023

Schweriner Volkszeitung, 8.6.2023: „50 Rechtsextreme mit Waffen Entwaffnung von Neonazis geht in MV nur langsam voran“ 

Schweriner Volkszeitung, 16.12.2018: „MV rüstet auf: Immer mehr Waffen in Privathand“ 

Ostsee-Zeitung, 1.11.2020: „Erneut mehr Waffen in Privatbesitz in Mecklenburg-Vorpommern“ 

Kleine Anfrage „Anwendung des Waffenrechts in Mecklenburg-Vorpommern“ der Abgeordneten Sandy van Baal (FDP-Fraktion) inkl. Antwort der Landesregierung (Drucksache 8/1970) vom 13.4.2023

¹ Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fasst die vom Verfassungsschutz verwendeten Kategorien Rechtsextremismus, „Reichsbürger*innen und Selbstverwalter“ und „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zusammen. Denn die Übergänge sind fließend und in allen drei Bereichen bilden rechtsextreme Einstellungen wie Rassismus und Antisemitismus ein verbindendes Element. So fällt die große Razzia gegen die sog. Patriotische Union Ende letzten Jahres in die Kategorie Reichsbürger*innen und Selbstverwalter, obwohl sie Personen aus allen drei Phänomenbereichen betraf.


Constanze Oehlrich MdL
Rechtspolitische Sprecherin