Seit gestern ist klar: Der umstrittene Bau des Containerhafens im polnischen Swinemünde wird voraussichtlich bald fortgesetzt. Das zuständige Verwaltungsgericht in Polen hat die Klage einer polnischen Umweltschutzorganisation zusammen mit einer deutschen Bürgerinitiative und unterstützt von der Gemeinde Heringsdorf, abgewiesen. Damit wurde der Weg für die nächsten Bauabschnitte geebnet. Die Klagenden sahen erheblichen Auswirkungen auf das empfindliche Ökosystem der Ostsee und den Tourismus auf der deutschen Insel Usedom. Denn beim Containerhafen bleibt es nicht: eine neue rund 65km lange Fahrrinne soll zusätzlich in die Ostsee gebaggert werden. Das Urteil zeigt, wie dringlich eine aktive Beteiligung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns an den Konsultationen ist, aber bislang hat die Landesregierung vor dieser Verantwortung weitgehend die Augen verschlossen.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion Jutta Wegner kritisiert die Untätigkeit der Landesregierung: „Wir reden hier nicht über einen kleinen Bootsanleger, sondern über ein Projekt, das Natur und Tourismus in der gesamten Region nachhaltig verändern wird. Wer jetzt glaubt, einfach die Leinen loszumachen und dem Kurs der polnischen Planungen zu folgen, riskiert einen echten Schiffbruch für die Ostsee.
Natürlich können wir den Hafen nicht in Warschau stoppen, aber wir müssen dafür sorgen, dass die Auswirkungen auf unser Land und auf die Ostsee vollständig geprüft werden. Stattdessen wurde der Ball zwischen Bund und Land hin und her gespielt – und am Ende landete er im Aus. So darf man mit einer solch wichtigen Frage nicht umgehen.“
Salamitaktik statt Gesamtbetrachtung
Besonders problematisch ist die Zerstückelung des Projekts in mehrere Teilverfahren. Wegner erklärt: „Uns allen ist bewusst: Man kann nicht erst den Hafen planen, dann die Fahrrinne und später die ganze Logistik drumherum. Das ist, als würde man ein Haus ohne Fundament genehmigen und sich wundern, wenn es schief steht. Doch ist diese Zerteilung durchaus kein Versehen, sondern eine Taktik, die wir seit Beginn dieses Projektes beobachten können. Mit der abgeschlossenen Klage und der Fortsetzung des Containerterminals geht es direkt in die zweite Runde. Für den Bau der rund 65 km langen Fahrrinne, ohne die das Terminal für Containerschiffe nicht zu erreichen ist, steht eine erneute grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bevor. Dieses Projekt braucht eine Gesamtbetrachtung – und zwar jetzt, bevor weitere Fakten geschaffen werden. Die Landesregierung muss jetzt dringend handeln und sich auf allen verfügbaren Ebenen für eine Neubewertung dieses Projektes einsetzen. Ihr bisheriges Schweigen in diesem Verfahren ist unverantwortlich. Es geht um den wichtigsten Wirtschaftszweig im Land und den Schutz wichtiger Schutzgebiete. Nochmal darf der Ball nicht im eigenen Tor landen, dazu sind die Destination Usedom und die Ostsee zu wichtig.“
Wirtschaftlicher Nutzen zweifelhaft
Auch der wirtschaftliche Sinn des Hafens bleibt fragwürdig. „Selbst große Reedereien setzen inzwischen wieder stärker auf kleinere Frachter in der Ostsee. Ob ein Mega-Hafen wie in Swinemünde geplant unter diesen Bedingungen überhaupt wirtschaftlich tragfähig ist, bleibt unklar – und die polnische Seite liefert darauf seit Jahren keine belastbare Antwort.
Ich erwarte, dass die Landesregierung sofort prüft, wie sie im laufenden Verfahren Einfluss nehmen kann – sei es durch eigene Stellungnahmen oder über den Bund. Mecklenburg-Vorpommern hat eine besondere Verantwortung für die Ostsee. Wir können nicht beim Schutz dieses einzigartigen Ökosystems abtauchen. Rot-Rot riskiert hier nicht nur Natur und Tourismus, sondern auch Vertrauen in die Politik. Wir brauchen einen klaren Kurs für die Ostsee – und den legt man nicht mit dem Fernglas Richtung Warschau fest, sondern direkt hier in Schwerin“, so Wegner.
Hintergrund:
Am 4. August 2025 hob ein Verwaltungsgericht in Warschau den Baustopp für den geplanten Containerhafen im polnischen Swinemünde auf. Eine deutsche Bürgerinitiative hatte gemeinsam mit einer polnischen Umweltorganisation, unterstützt von der Gemeinde Heringsdorf, gegen das Projekt geklagt. Sie befürchten erhebliche Umweltschäden, insbesondere durch die rund 65 Kilometer lange geplante Fahrrinne. Das Gericht wies die Klage ab und folgte damit der Einschätzung der polnischen Umweltbehörde, die die Genehmigung bereits im Oktober 2023 erteilt hatte.
Bereits im Juli 2023 war ein 30-jähriger Vorvertrag zwischen der Hafenverwaltung Stettin–Swinemünde und einem belgisch-katarischen Konsortium über Bau und Betrieb des Hafens geschlossen worden. Das Projekt berührt mehrere Natura-2000-Schutzgebiete und erfordert deshalb ein grenzüberschreitendes Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP) nach dem Espoo-Übereinkommen.
Bei den Konsultationsgesprächen am 20. September 2023 sagte die polnische Seite zwar zusätzliche Unterlagen zu, unter anderem zu den Plänen für die neue Fahrrinne – diese liegen bis heute nicht vollständig vor. Dennoch wurde die Genehmigung für den Bau erteilt, ohne dass ein abgestimmtes Ergebnis des UVP-Verfahrens vorlag.
Bereits im März 2022 veröffentlichte sie gemeinsam mit MdEP Helmut Scholz eine Studie zu den Umweltauswirkungen des Containerhafens.

Parlamentarische Geschäftsführerin und wirtschaftspolitische Sprecherin