Morgen wird der bündnisgrüne Antrag zur Einführung eines Armuts- und Reichtumsberichts für Mecklenburg-Vorpommern debattiert. Anne Shepley, stellvertretende Vorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, verdeutlicht:
„Als einziges von 16 Bundesländern hat Mecklenburg-Vorpommern keinen landesspezifischen Armuts- und Reichtumsbericht. Dabei gilt unser Land im bundesweiten Vergleich des Brutto-Inland-Produkts als das wirtschaftlich schwächste. Hier ist jede dritte Arbeitsstelle im Niedriglohnsektor angesiedelt, hier liegt die Arbeitslosenquote mit 8,4 Prozent deutlich über dem Bundesschnitt, hier ist jedes vierte Kind armutsgefährdet. Gleichzeitig liegt die aktuelle Inflationsrate mit 9,2 Prozent besonders hoch.
Obwohl wir eine linke Landesregierung haben, deren sozialer Kern die Armutsbekämpfung sein sollte, fehlt es allein schon an Grundlegendem: an validen Daten zu den unterschiedlichen Lebenslagen der Menschen im Land. Doch nur wer systematische Untersuchungen vornimmt, kann darauf basierend Armut strukturell und nachhaltig bekämpfen.
Wissenschaft bestätigt Notwendigkeit
Dies bestätigt auch die Wissenschaft. Die Rostocker Armutsforscher Dr. André Knabe und Alexander Maschke lassen im Kontext einer jüngst veröffentlichten Studie keine Zweifel an der Notwendigkeit eines solchen Berichts: ,Diese Art der mehr oder weniger zufälligen Beforschung der Lebensverhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern […] macht es schwer, politisch nachhaltige Strategien der Armutsbekämpfung zu entwickeln und in ihrer Wirksamkeit zu evaluieren.’
„Weigerung von Rot-Rot wäre buchstäbliches Armutszeugnis“
Während die jetzige Regierungsfraktion DIE LINKE in der Vergangenheit entsprechende Konzepte zur Armutsbekämpfung in Mecklenburg-Vorpommern forderte, sperrt sich der sozialdemokratische Regierungspartner bisher gegen eine valide Datenerhebung. Möglicherweise fürchtet die SPD, die seit fast 30 Jahren in Regierungsverantwortung ist, unbequeme Antworten, die den dringenden Handlungsbedarf offenlegen würden. Indem sie sich jedoch weigert, das strukturelle Problem anzuerkennen und stattdessen öffentlichkeitswirksam einige wenige Leuchtturmprojekte vorschiebt, ignoriert sie die bittere Realität – während die Schlangen bei den Tafeln immer länger werden. Sollte die rot-rote Landesregierung weiterhin eine ehrliche Analyse scheuen, wäre dies ein buchstäbliches Armutszeugnis.“
Hinweise:
Den Antrag „Für eine nachhaltige Wirtschafts- und Sozialpolitik: Einen handlungsorientierten Armuts- und Reichtumsbericht Mecklenburg-Vorpommern vorlegen“ (Drucksache 8/1927) vom 9. März 2023 finden Sie hier.
Die Studie „Arm sein, wo andere Urlaub machen – Eine Studie zur Armutsgefährdung in Mecklenburg-Vorpommern“, entstanden im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, finden Sie hier.