Am Freitag beginnt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ und der Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2 mit der Beweisaufnahme.
Auf Antrag der Oppositionsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP wird der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Christian von Hirschhausen als Sachverständiger Stellung zu der Frage nehmen, ob die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 energiepolitisch jemals notwendig gewesen sei. In Publikationen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung legte von Hirschhausen, Fachgebietsleiter an der Technischen Universität Berlin, im Jahr 2018 Berechnungen vor, nach denen die Pipeline für die europäische Energieversorgung überflüssig sei.
In ihren früheren Argumentationen für den Bau der Pipeline berief sich die Landesregierung immer wieder auf die Aussage, Europa sei langfristig auf russische Gaslieferungen durch die Pipeline angewiesen. Von den Regierungsfraktionen von SPD und LINKE wurde der Wirtschaftsingenieur Jens Hobohm als Sachverständiger benannt und wird ebenfalls morgen angehört werden. Hobohm, mittlerweile Partner und Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts „Prognos“, hatte im Jahr 2017 im Auftrag der Nord Stream 2 AG eine Studie erstellt, welche den großen Bedarf an russischem Gas unterstrich. In späteren Erklärungen relativierte er diese Einschätzung jedoch als überholt.
Weiterhin lückenhafte Aktenbestände
Im Anschluss an die Befragung der Sachverständigen wird der Untersuchungsausschuss zu einer weiteren Sitzung zusammenkommen, um sich zu den seit Ende Dezember 2022 neu gelieferten Akten zu beraten. Hannes Damm, Obmann im Untersuchungsausschuss und energiepolitischer Sprecher der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, kritisiert bereits im Vorfeld den lückenhaften Aktenbestand: „Die Klimastiftung hat bislang nur einen kleinen Teil der vom Ausschuss angeforderten Akten ausgehändigt. So fehlt ein Großteil der Vorstandsprotokolle zum gemeinwohlorientierten Bereich der Stiftung. Weder wurden Aktenpläne noch Dateiverzeichnisse oder Korrespondenzen vorgelegt. Die bislang übermittelten Dokumente sind fragmentiert und weisen umfangreiche Schwärzungen auf, die teils sehr fragwürdig erscheinen. Die Klimastiftung unter Leitung von Vorstand Erwin Sellering ignoriert durch ihr Vorgehen rechtswirksame Beweisbeschlüsse. Das kann der Ausschuss keinesfalls hinnehmen.“
Die Aktenlieferungen der Landesministerien können derweil noch nicht auf Vollständigkeit geprüft werden. Die entsprechende Frist für die Aktenvorlage endete am 31. Dezember 2022. Diese war zuvor durch die Regierungsfraktionen von SPD und LINKE bereits von sechs Wochen auf sechs Monate verlängert worden.
Erster Aufklärungserfolg des Untersuchungsausschusses
An anderer Stelle konnte zwischenzeitlich ein erster Aufklärungserfolg des Untersuchungsausschusses verzeichnet werden. Die lückenhafte Dokumentation von Treffen mit russischen Lobby-Vertreteterinnen wurde nun von der Landesregierung ergänzt. Auch ein bislang nicht gelisteter Termin zwischen der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig wird nunmehr aufgeführt. Vorausgegangen waren Kleine Anfragen des Abgeordneten Hannes Damm sowie mehrere Klagen vor dem Landesverfassungsgericht, von denen einige noch anhängig sind. „Dass die vervollständigten Listen jedoch zunächst Medienvertreterinnen in einem geheimen Hintergrundgespräch mit der Landesregierung und erst danach den Parlamentarier*innen zur Verfügung gestellt worden sind, zeigt erneut, wie groß die Nervosität der Landesregierung um Manuela Schwesig beim Umgang mit der Klimastiftung noch immer ist und wie wenig Achtung sie vor dem Parlament hat“, resümiert Hannes Damm.
Hinweis:
Quellen:
„Nord Stream 2-Debatte: Von Klimaschutz und Energiesicherheit“, dpa, 12. April 2021
https://www.zeit.de/news/2021-04/12/nord-stream-2-debatte-von-klimaschutz-und-energiesicherheit
Studie: „Erdgasversorgung: Weitere Ostsee-Pipeline ist überflüssig“, 2018
https://www.diw.de/de/diw_01.c.593458.de/publikationen/wochenberichte/2018_27_1/erdgasversorgung__weitere_ostsee-pipeline_ist_ueberfluessig.html