Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern lehnt die aktuellen Pläne zum Bau eines LNG-Terminals vor der Küste Rügens ab.
Nach übereinstimmenden Medienberichten hat das SPD-geführte Kanzleramt offenbar deutlich überhöhte Pufferkapazitäten für die Gasversorgung vorgegeben, die sich im gestern vorgelegten Gasbedarfsbericht der Bundesregierung wiederfinden. Diese Mengen sind weder mit der europäischen Versorgungssicherheit zu begründen noch mit dem Klima- und Umweltschutz in Einklang zu bringen.
„Teilen die Sorgen der Bewohner*innen“
Der Vorsitzende Dr. Harald Terpe begründet die Haltung der bündnisgrünen Landtagsfraktion:
„Das geplante LNG-Terminal stellt einen schweren Eingriff in die geschützte Natur des Greifswalder Boddens vor Rügen dar. Dadurch bedroht es auch die Einkommensgrundlage der Menschen auf Deutschlands größter Urlaubsinsel, die nahezu alle vom Tourismus leben. Wir teilen daher die Sorgen der Bewohner*innen hinsichtlich der Planungen neuer fossiler Infrastrukturen.
„Kanzler glaubt offenbar nicht an die Zeitenwende“
Zugleich ist der Erhalt der Versorgung mit Erdgas nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa sicherzustellen. Hier hat das Bundeswirtschaftsministerium in den vergangenen Monaten bereits Enormes geleistet: Die nationalen Gasspeicher sind gefüllt, wichtige Infrastrukturprojekte wurden in Rekordzeit auf den Weg gebracht – parallel wurde auf Bundesebene das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren maximal beschleunigt.
Der nun vorliegende Gasbedarfsplan der Bundesregierung sieht jedoch deutlich zu große Sicherheitspuffer vor. Offenbar glaubt der Kanzler nicht an die selbst ausgerufene Zeitenwende. Die Schaffung fossiler Überkapazitäten ist vor dem Hintergrund der Klimakrise der falsche Weg.“
„Europäische Erdgasversorgung auch ohne LNG-Terminal vor Rügen gesichert“
Hannes Damm, energiepolitischer Sprecher der Fraktion, ergänzt:
„Mit dem privaten Terminal in Lubmin, den vier schwimmenden Anlagen des Bundes und den dauerhaften Onshore-Terminals, die auf Grundlage des LNG-Beschleunigungsgesetzes realisiert werden, leisten wir unseren Anteil an der Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa.
Die vorliegenden Daten machen deutlich, dass die europäische Erdgasversorgung durch den europaweiten LNG-Ausbau ab dem Jahr 2024 auch ohne zusätzliches LNG-Terminal vor Rügen gesichert ist.
Wir finden: Es dürfen keine neuen fossilen Kapazitäten geschaffen werden, die nicht für die Versorgungssicherheit benötigt werden. Die Konsequenzen für den Klimaschutz, die Umwelt sowie den Ausbau der Erneuerbaren wären sonst dramatisch.“
Hintergrund:
Entscheidend ist die Frage der Versorgungssicherheit.
Für die Versorgungssicherheit in Deutschland und in ganz Europa wird das Jahr 2023 das entscheidende sein. Ab dem Jahr 2024 ist durch den europaweiten LNG-Ausbau die Versorgung gesichert. Ab 2025 stehen wieder deutliche Puffer bei der Gasversorgung zur Verfügung.
Das LNG-Terminal vor Rügen soll nach derzeitigem Planungsstand in Betrieb genommen werden, wenn bereits Versorgungssicherheit besteht. Im Gegensatz zu anderen FSRU-Standorten in Deutschland wäre dieses Terminal vor Rügen aufgrund der notwendigen Offshore-Infrastruktur auf Dauer ausgelegt – dementsprechend weder zeitlich eng befristet noch leicht zurückzubauen.
Durch das geplante Projekt vor der Küste Rügens ist mit negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur zu rechnen.
Mecklenburg-Vorpommern ist ein Tourismusland, einer der Leuchttürme ist die Insel Rügen. Die überwiegende Mehrheit der Menschen auf Deutschlands größter Insel verdient ihren Lebensunterhalt im Wirtschaftszweig Tourismus. Durch das geplante LNG-Terminal würden Teile der Urlaubsinsel unter Lärmbelästigungen und Lichtverschmutzungen leiden. Die Aufenthaltsqualität wäre maßgeblich verschlechtert.
Naturschutzfachliche Argumente dürfen nicht außen vor bleiben.
Das Natura-2000-Gebiet an der Greifswalder Boddenrandschwelle ist bereits heute durch zahlreiche Infrastrukturprojekte strapaziert. Durch den Bau der vier Stränge der Nord Stream-Pipelines in den vergangenen zehn Jahren wurden u. a. die Laichgebiete der sensiblen Heringsbestände der Ostsee massiv gestört. Eine erneute Störung würde die Population zusätzlich bedrohen.
Das LNG-Terminal steht in Konflikt mit dem Ausbau der Offshore-Windenergie in der Ostsee.
Es besteht nach Bundesnaturschutzgesetz eine erhebliche Gefahr, dass die Kumulation von Beeinträchtigungen durch die neue Anbindungspipeline den geplanten Windpark „Windanker“ – immerhin zehn Prozent der gesamten Offshore-Windenergie in der Ostsee – verhindert.
Hinweis:
Den Bericht des Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministeriums zu Planungen und Kapazitäten der schwimmenden und festen Flüssigerdgasterminals vom 3. März 2023 finden Sie hier.