Die Generaldirektion für Umweltschutz der Republik Polen hat dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern die Dokumentation der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im grenzüberschreitenden Rahmen für das Vorhaben „Bau eines Containerterminals im Außenhafen Swinemünde“ übersandt und um Einleitung der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland gebeten.
Jutta Wegner, verkehrspolitische Sprecherin der bündnisgrünen Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, erklärt hierzu:
„Es ist gut, dass endlich Informationen zu den polnischen Plänen für das Containerterminal in Swinemünde vorliegen, die nun fachlich ausgewertet werden können. Doch bereits zum jetzigen Zeitpunkt bin ich mindestens erstaunt, mit welcher Klarheit und Vehemenz die polnische Regierung Auswirkungen auf Umwelt und Natur auf deutscher Seite ausschließt. Dabei ist es wenig glaubhaft, dass es durch den Bau des riesigen Containerterminals vor Swinemünde in den 14 potentiell betroffenen Natura-2000-Gebieten zu keinerlei negativen Einflüssen kommen könnte. Durch den zunehmenden Schiffsverkehr sind gravierende Folgen auf geschützte Meeresvogelbestände und auf den stark bedrohten Schweinswal auch in deutschen Schutzgebieten nicht ausgeschlossen. Ferner ist mit negativen Auswirkungen auf die Fortpflanzung gleich mehrerer Fischarten zu rechnen, weil die Auffindbarkeit der Świna-Mündung, die als Aufstieg zu den Laichgewässern dient, während der Bauphase abgeschwächt und möglicherweise dauerhaft eingeschränkt wäre. Das könnte das Ökosystem des Stettiner Haffs und der Oder weiter schwächen, das durch verschiedene Baumaßnahmen ohnehin unter Druck steht. Für eine abschließende Bewertung müsste es allerdings auch Untersuchungen der landseitigen Umweltauswirkungen geben.
Der bisherige intransparente Verlauf der Umweltverträglichkeitsprüfung lässt mich besorgt auf die weiteren Entwicklungen blicken. Offenbar agieren die polnischen Behörden vornehmlich im Interesse des Investors statt im Interesse der Natur. Diese einseitige Untersuchung darf die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern keinesfalls akzeptieren. Ich erwarte, dass sie sämtliche Einflussmöglichkeiten nutzt und auf eine inhaltliche Beteiligung an dem Verfahren drängt.
Parallel zum gestarteten Beteiligungsprozess der Öffentlichkeit muss die Landesregierung daher ihr Recht vollumfänglich nutzen, ab sofort Konsultationen einzufordern. Der Dialog mit Polen über grundsätzliche Alternativen zum Projekt, über Bauüberwachung und nachgelagertes Monitoring muss deutlich intensiviert werden. Bislang jedoch lässt die Landesregierung nicht erkennen, welche nächsten Schritte sie plant. Dabei brauchen wir schnellstmöglich Antworten, bevor Polen weitere Tatsachen in der Ostsee schafft.“
Dr. Hannah Neumann, Abgeordnete der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, ergänzt:
„Die polnische Umweltverträglichkeitsprüfung prognostiziert praktisch keine grenzüberschreitenden Auswirkungen des Hafenprojekts auf Artenvielfalt und Naturschutz – ich habe daran starke Zweifel. Eine von mir im letzten Jahr in Auftrag gegebene Studie ist zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen: Es sind massive Beeinträchtigungen zu erwarten, für Usedom, den Bodden und sogar bis nach Rügen! Die Pläne für das Containerterminal betreffen mehrere Natura-2000-Gebiete, die aus gutem Grund einen europäischen Schutzstatus haben. Sie sind essentiell für das Funktionieren gleich mehrerer angrenzender Ökosysteme.
Begründet werden die Eingriffe in den nun vorliegenden Unterlagen unter anderem mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit einer Erweiterung der Hafenkapazitäten im Hinblick auf den Ausbau der Oder als Wasserstraße. Genau gegen diese Ausbaupläne und die dazugehörige UVP laufen jedoch bereits verschiedene Verfahren. Ein Warschauer Verwaltungsgericht hat Ende letzten Jahres sogar einen Baustopp verhängt – trotzdem wird auf polnischer Seite unbeirrt weitergebaggert. Dabei ist klar: Die Oder ist kein Rhein! Sie eignet sich schon aufgrund ihrer natürlichen Gegebenheiten nicht als Wasserstraße, und infolge des Klimawandels, mit immer häufiger auftretendem Niedrigwasser, noch weniger. Ein Hafenausbau in Swinemünde ist in dieser Dimension also schlicht unnötig.
Im letzten Sommer hat das massive Fisch- und Muschelsterben gezeigt, was passiert, wenn wirtschaftliche Interessen immer wieder über den Umweltschutz gestellt werden. Die polnische PiS-Regierung muss sich nun endlich auf einen ernsthaften Austausch einlassen. Hier sollte mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Land Brandenburg gemeinsam erörtert werden, wie sich wirtschaftliche Entwicklung der Region und Naturschutz verbinden lassen. Bisher sieht es leider nicht danach aus. Das zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass es in diesem grenzüberschreitenden Verfahren scheinbar keine deutsche Beteiligung in Form eines Scopingtermins gab.“
Hintergrund:
Die polnische Regierung plant im Außenhafen von Swinemünde ein Containerterminal in einem Natura-2000-Gebiet. Diese Gebiete stehen u. a. durch die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, die Vogelschutz-Richtlinie, die UVP-Richtlinie, die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie MSRL (2008/56/EU), sowie der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) unter besonderem Schutz.
Aufbauend auf dem Espoo-Übereinkommen von 1991 sind betroffene Nachbarstaaten und deren Öffentlichkeit vor Zulassung eines Projekts im Rahmen einer grenzüberschreitenden UVP zu beteiligen, wenn anzunehmen ist, dass das Projekt grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben kann. Zwischen Polen und Deutschland regelt die Deutsch-Polnische UVP-Vereinbarung sowie das UVPG die konkreten Verfahrensschritte.
Dementsprechend hat die Generaldirektion für Umweltschutz der Republik Polen am 20. Oktober 2021 über das Projekt informiert, woraufhin das Land MV seine Beteiligung an einer grenzüberschreitenden UVP kommuniziert und um einen Scoping-Termin zur gemeinsamen Festlegung des Inhaltes und Umfangs Umweltverträglichkeitsprüfung gebeten hat. Dieser Scoping-Termin hat unseres Wissens jedoch bisher nicht stattgefunden und wäre eigentlich vor Erstellung der Umweltdokumentation und Beteiligung der Öffentlichkeit notwendiger Verfahrensschritt gewesen.
Die deutsche Öffentlichkeit hat nun die Möglichkeit, sich vom 26. Januar bis zum 24. Februar 2023 an dem Verfahren zu beteiligen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Hinweis:
Die von MdEP Hannah Neumann und MdEP Helmut Scholz im März 2022 veröffentlichte Studie zu den Umweltauswirkungen des Containerhafens finden Sie hier.