Die für August 2025 geplante neunmonatige Vollsperrung der Bahnstrecke Berlin–Hamburg muss dringend neu bewertet werden. Nach aktuellen Planungsänderungen der Deutschen Bahn wurde das ursprünglich als umfassende Generalsanierung angekündigte Projekt deutlich abgespeckt. Grund sind massive Kostensteigerungen, mangelnde Planungskapazitäten und fehlende Industrie- und Prüfkapazitäten, die eine Umsetzung innerhalb von neun Monaten unmöglich machen.
Neue Gegebenheiten erfordern neues Sperrkonzept
Jutta Wegner, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, stellt daher die Verhältnismäßigkeit einer so langen Komplettsperrung in Frage: „Eine neunmonatige Vollsperrung ist für Pendler*innen, Reisende und den Güterverkehr eine enorme Belastung, die nur durch einen substanziellen Qualitätssprung zu rechtfertigen wäre. Die Akzeptanz für Einschränkungen im Bahnverkehr ist bei den Bürger*innen grundsätzlich nur vorhanden, wenn sie nachvollziehbar und verhältnismäßig sind. Wenn die Deutsche Bahn den großen Wurf abbläst und lediglich eine Standardsanierung durchführt, muss auch das Sperrkonzept entsprechend angepasst werden.“
Die Verbindung Berlin–Hamburg ist eine der wichtigsten Verkehrsachsen Deutschlands. Ursprünglich sollte die 280 Kilometer lange Strecke als sogenannter Hochleistungskorridor umfassend modernisiert und damit auf zehn Jahre hinaus baustellenfrei bleiben. Dieses Ziel ist mit der jetzt geplanten „Generalsanierung light“ nicht erreichbar. Auch die ursprünglich geplante Ausrüstung mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS, das die Kapazität der Strecke deutlich gesteigert hätte, ist nicht mehr geplant. Damit entfällt ein wesentlicher Baustein zur Leistungssteigerung der Verbindung.
SPD und LINKE ignorieren die geänderte Sachlage
Wegner nimmt auch das Land in die Pflicht: „Wir fordern unter den neuen Gegebenheiten von der Landesregierung, gemeinsam mit der Bahn und dem Bundesverkehrsministerium umgehend zu überprüfen, ob alternative Bauverfahren mit geringeren Einschränkungen für den Bahnverkehr möglich sind. Zudem sollte transparent dargelegt werden, welche ursprünglich geplanten Maßnahmen nun nicht mehr umgesetzt werden und welche Konsequenzen dies für die Leistungsfähigkeit der Strecke hat.“
Mit Blick auf den heute debattierten Landtagsantrag der Regierungsfraktionen ergänzt Wegner: „SPD und LINKE überbieten sich derzeit mit Forderungen an die Bahn, ignorieren dabei aber völlig, dass die Grundlage für die geplante Sperrzeit inzwischen nicht mehr besteht. Wer jetzt nicht auch die Dauer und das Ausmaß der Streckensperrung zur Debatte stellt, macht es sich auf Kosten der Fahrgäste zu leicht.“

Parlamentarische Geschäftsführerin und verkehrspolitische Sprecherin