Die Heringe sind sauer. Wir auch.

Der Bau der LNG-Pipeline vor Rügen bedroht den Lebensraum des ohnehin stark gefährdeten Ostsee-Herings. Grund: Die zuständige Behörde, das Bergamt Stralsund, hat einen Antrag des Pipeline-Betreibers Gascade auf Verlängerung der Bauarbeiten genehmigt. Damit dürfen nun Arbeiten zur Rückverfüllung und Abdeckung des Pipeline-Grabens in der Ostsee auch im Januar und Februar fortgesetzt werden. Das fällt genau in die Laichzeit des Ostsee-Herings – und die Pipeline verläuft quer durch die „Kinderstube“ des Fisches.

„Der Schutz des Herings muss absolute Priorität gegenüber der LNG-Pipeline haben.“

Hannes Damm

Dabei waren in der ursprünglichen Genehmigung alle Baumaßnahmen an der Pipeline von Anfang Januar bis Mitte Mai ausgeschlossen worden. Wegen der Laichzeit des Herings! Doch nun wischte die Behörde sämtliche Bedenken, die das Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei und mehrere Umweltorganisationen äußerten, beiseite, und verlängerte die Genehmigung. Gegen diese Entscheidung ging die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in einem Eilverfahren vor. Unsere Fraktion brachte einen Antrag in den Landtag ein, in dem wir die Landesregierung aufforderten, die Bauarbeiten an der LNG-Pipeline während der festgelegten Schonzeit des Herings zu untersagen und die Genehmigung zurückzunehmen. Unser klima- und energiepolitischer Sprecher, Hannes Damm, sagte: »Der Schutz des Herings muss absolute Priorität gegenüber der LNG-Pipeline haben.«

Kurz danach lehnte das Bundesverwaltungsgericht den Antrag der DUH ab. In einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordert nun ein breites Bündnis aus Umweltverbänden und der Gemeinde Ostseebad Binz ein sofortiges Moratorium für LNG-Terminals in Deutschland. Unsere Fraktion zeigt sich ausdrücklich solidarisch mit den Forderungen.


Eine Pipeline quer durch die Kinderstube des Ostsee-Herings

Der Greifswalder Bodden, Kinderstube des Ostsee-Herings © fotograupner/Adobe Stock



Im Winter wandern die Heringsschwärme vom Öresund zwischen Dänemark und Schweden in die Laichgebiete der westlichen Ostsee, vor allem in den 500 Quadratkilometer großen Greifswalder Bodden. Das flache Küstengebiet gilt mit seinen Seegraswiesen und Laichkräutern als wichtigste „Kinderstube“ des Ostsee-Herings. Bei einer Wassertemperatur ab 4 Grad Celsius erfolgt die Eiablage in den Laichgründen. In der Regel geschieht dies Anfang Januar. Bei steigenden Wassertemperaturen zwischen 4 und 8 Grad Celsius schlüpfen nach etwa drei Wochen die ersten Heringslarven.

Der Pipeline-Bau macht den letzten Heringen das Leben schwer

Dadurch, dass sich die Ostsee aufgrund der Erderhitzung immer früher erwärmt, schlüpfen auch die Heringslarven vorzeitig. Zu dieser Zeit finden sie jedoch nicht genügend Nahrung, da die winzigen Krebse, von denen sie sich ernähren, noch nicht vorhanden sind. Denn die Krebse wiederum benötigen winzige Algen als Nahrung, die sich erst bei einem bestimmten jahreszeitlich bedingten Lichtanteil im Meerwasser entwickeln. Kaum auf der Welt, sterben viele der Heringslarven den Hungertod. Diese Prozesskette ist offenbar einer der Hauptgründe für den seit Jahren schlechten Zustand der Heringspopulationen in der Ostsee. Nun macht der Bau der LNG-Pipeline zwischen Lubmin und Mukran den letzten Heringen das Leben schwer.


Warum sind die Heringsbestände durch den Pipeline-Bau bedroht?

Das Thünen-Institut für Ostseefischerei forscht seit 2006 nach den Ursachen des Heringsschwunds. Mittels ökologischer Grundlagenforschung hat das Rostocker Team die Indikatoren ermittelt, die zum kontinuierlichen Rückgang der Heringsbestände führen. Nun ist eine neue Gefahr für die Fische hinzugekommen: der Bau der LNG-Pipeline vor der Insel Rügen. Im Video erklärt Projektleiter Dr. Patrick Polte, welche Risiken durch den Bau gerade während der Laichzeit der Heringe entstehen.

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Die Heringe sind sauer! Wir auch.

Chronologie

Stand heute ↓

13. Februar 2024

Die LNG-Pipeline soll auch ohne die vollständige Wiederverfüllung des Rohrgrabens in Betrieb genommen werden können. Das sehen jetzt veröffentlichte Genehmigungsentwürfe des Bergamts Stralsund vor. Bislang ist der Graben laut Angaben von Betreiber Gascade nicht vollständig verfüllt. Einer Inbetriebnahme der Anbindungs-Pipeline für das LNG-Terminal vor Rügen stehe das nicht entgegen. Gascade hatte zuvor einen entsprechend geänderten Genehmigungsantrag gestellt.

»Graben nicht ganz verfüllt: Pipeline soll in Betrieb gehen«, Deutsche Presse-Agentur, 13. Februar 2024


1. Februar 2024

Ein Bündnis aus Umweltverbänden und der Gemeinde Binz fordert in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz ein Moratorium für die deutschen LNG-Terminals. Der LNG-Ausbau solle geprüft, das Terminal vor Rügen gestoppt werden. Zum Bündnis gehören die Deutsche Umwelthilfe (DUH), BUND, DNR, NABU, WWF, Greenpeace und das Umweltinstitut München.

»Die neue LNG-Abhängigkeit führt zu massiver Naturzerstörung entlang unserer Küsten. Anladestationen und Hinterlandanbindungen versiegeln wertvolle Salzwiesen und Naturschutzflächen, Pipelines im Greifswalder Bodden zerschneiden Meeresschutzgebiete, zerstören Riffe.«

Leif Miller, NABU-Bundesgeschäftsführer, Pressemitteilung vom 1. Februar 2024

Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern begrüßt den Vorstoß des Bündnisses und fordert zudem eine Überprüfung der Erdgas-Bedarfe durch die Bundesnetzagentur.

Moratorium für alle weiteren LNG-Terminals // Damm: »Überhasteter Weiterbau vor Rügen ist weder notwendig noch sinnvoll«, Pressemitteilung vom 2. Februar 2024


26. Januar 2024

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnt den Eilantrag der Deutschen Umwelthilfe auf einen Baustopp ab und erlaubt den Weiterbau an der LNG-Pipeline vor Rügen. Laut Gericht geht das Bergamt als zuständige Genehmigungsbehörde zu Recht von einer Gasmangellage aus. Die DUH kündigt an, nun auf die ausstehende Verhandlung und ausführliche Prüfung im Hauptverfahren zu setzen.

Anfang Januar 2024 hatte das Bergamt Stralsund den Antrag des Pipeline-Betreibers Gascade genehmigt, Bauarbeiten zur Rückverfüllung und Abdeckung des Pipeline-Grabens auch im Januar und Februar 2024 fortzusetzen – mitten in der Heringslaichzeit. Dagegen war die DUH in einem Eilverfahren vorgegangen.

»Das Bundesverwaltungsgericht hat den letzten Ostsee-Heringen heute den Weg in die Laichsaison wortwörtlich verbaut. Nicht die Gasversorgung steckt in der Krise, sondern die Biodiversität auf dem gesamten Planeten.«

Dr. Finn Viehberg, Leiter des WWF-Büros Ostsee, Pressemitteilung vom 26. Januar 2024

25. Januar 2024

Die bündnisgrüne Landtagsfraktion fordert in einem Antrag die Landesregierung auf, beim Bau der LNG-Pipeline im Bereich des Greifswalder Boddens den Schutz des Herings zu priorisieren.

»Wir fordern die Landesregierung auf, die Bauarbeiten an der LNG-Pipeline während der festgelegten Schonzeit des Herings zu untersagen und die Verlängerung der Bauzeit für Gascade zurückzunehmen. […] Es ist befremdlich, dass das Bergamt Stralsund die dringenden Empfehlungen des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Bezug auf den Heringsschutz beiseite wischt.«

Hannes Damm, klima- und energiepolitischer Sprecher Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MV, Pressemitteilung vom 25. Januar 2024

Die Fraktion weist in ihrem Antrag »Den Hering schützen – Bautätigkeiten für LNG-Pipeline in der Laichsaison aussetzen« darauf hin, dass die Pipeline bereits vollständig verlegt sei und das Gas auch ohne weiteren Einbau der Leitung in den Gewässergrund transportieren könne. Dies hatte zuvor auch der Pipeline-Betreiber Gascade betont. Es besteht demnach kein Zeitdruck für die ausstehenden Baggerarbeiten. Zusätzlich beruft sich die Fraktion auf die aktuelle Einschätzung der Bundesnetzagentur, nach der keine Gasmangellage droht.

Landtagsdebatte am 25. Januar 2024 zum Antrag »Den Hering schützen – Bautätigkeiten für LNG-Pipeline in der Laichsaison aussetzen«


16. Januar 2024

In einer gemeinsamen Pressekonferenz in Schwerin kritisieren die Deutsche Umwelthilfe (DUH), das WWF Ostsee-Büro sowie die Landesverbände von BUND und NABU u. a. das intransparente Genehmigungsverfahren seitens der Landesregierung und die Aushebelung relevanter Umweltvorgaben. Die Umweltverbände stellen zudem ein Hintergrundpapier zum LNG-Terminal vor der Insel Rügen vor.

»Die aktuelle Verlängerung der Bauzeitenregelung ist fachlich und politisch ein Skandal. […] Die Landesregierung muss diese Art der beschleunigten Genehmigungspraxis sofort einstellen.«

Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin BUND MV, Pressemitteilung vom 16. Januar 2024

Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MV fordert zeitgleich von der Landesregierung, insbesondere vom Wirtschaftsministerium als Fachaufsicht, die »offenkundig falschen Abwägungsentscheidungen der verantwortlichen Behörden schnellstens rückgängig zu machen«.

»Des Weiteren fordern wir die Landesregierung dazu auf, gegenüber der Bundesregierung dafür einzutreten, dass der Hering im Sinne nationaler und europäischer Schutzvorschriften absoluten Vorrang gegenüber sämtlichen Tätigkeiten erhält, die sich negativ auf den Fortpflanzungszyklus der bedrohten Bestände auswirken könnten.«

Hannes Damm

Sie fordert darüber hinaus, den Weiterbau und die Inbetriebnahme des LNG-Terminals zu stoppen.

»Das LNG-Terminal vor Rügen ist für die Versorgungssicherheit nicht notwendig, Deutschlands Gasspeicher sind voll. Es dürfen keine Überkapazitäten zulasten von Umwelt, Tourismus und Fischerei geschaffen werden. Deshalb werden wir alle uns zur Verfügung stehendenden politischen Mittel nutzen, um den Hering und die Ostsee zu schützen!«

Hannes Damm, klima- und energiepolitischer Sprecher Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MV, Pressemitteilung vom 16. Januar 2024

11. Januar 2024

Das Bundesverwaltungsgericht folgt dem Eilantrag der Deutschen Umwelthilfe und trägt dem Unternehmen Gascade auf, die Bauarbeiten an der LNG-Pipeline vorerst zu stoppen.

»LNG-Arbeiten wegen Eilverfahren gestoppt«, Deutsche Presse-Agentur, 11. Januar 2024

»Der vorläufige Baustopp ist ein Etappensieg für Natur- und Klimaschutz. Die gewonnene Zeit muss nun genutzt werden, das Projekt grundsätzlich zu überdenken. Es ist längst klar, dass das LNG-Terminal Rügen keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten wird. Dagegen wächst die ökologische Belastung aus dem Projekt stetig. Wir fordern die Bundes- und Landesregierung auf, dieses unnötige LNG-Terminal endlich abzusagen.«

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer DUH, Pressemitteilung vom 11. Januar 2024

»LNG-Projekt auf Rügen: Erfolg für den Hering«, Katapult MV, 12. Januar 2024

Gascade erklärt kurz darauf, „die Integrität der Pipeline ist auch gewährleistet, wenn der Rohrgraben noch nicht vollständig verfüllt ist“. Das LNG-Terminal sei ohne die gestoppten Arbeiten an der Anbindungs-Pipeline ebenso betriebsbereit.

Deshalb habe das Unternehmen einen Änderungsantrag beim Bergamt Stralsund eingereicht, welcher dort nun geprüft werde.

»Arbeiten an LNG-Pipeline vor Rügen gestoppt – Betreiber gibt nicht auf«, Deutsche Presse-Agentur, 12. Januar 2024


9. Januar 2024

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will mit einem Eilantrag einen sofortigen Baustopp erreichen und reicht Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein.

»Mit der Zulassung der Bauarbeiten während der Herlingslaichzeit überschreitet das Bergamt eine rote Linie, die es zuvor selber gezogen hatte.«

Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz DUH, Pressemitteilung vom 9. Januar 2024

»Deutsche Umwelthilfe beantragt sofortigen Baustopp des LNG-Projekts Rügen«, Berliner Zeitung, 9. Januar 2024


8. Januar 2024

Das Bergamt Stralsund genehmigt dem Unternehmen Gascade die Fortsetzung der Baggerarbeiten bis zum 29. Februar 2024 – trotz der ursprünglich festgelegten Schonzeit für das Laichgeschehen des Herings vom 1. Januar bis zum 14. Mai 2024. Mit dieser Entscheidung ignoriert die Genehmigungsbehörde Gutachten und Warnungen durch Fischerei- und Umweltexpert*innen.

So hatte der Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Christopher Zimmermann, dringend von weiteren Bauarbeiten in der Sassnitzer Rinne abgeraten. Aktuell erhobene Daten seines Instituts würden belegen, dass der Hering bereits vor Ort sei. Die Laichzeit beginne im Januar, bekräftigte er, und forderte eine Unterbrechung der Bauarbeiten bis Mai 2024 wie ursprünglich angeordnet.

»Baggergut in Ostsee verklappt: Gibt es wegen des LNG-Terminals bald keinen Hering mehr?«, Ostsee-Zeitung, 23. Dezember 2023

Entsprechend entsetzt von der Entscheidung zeigen sich die Umweltverbände. Man riskiere einen ganzen Jahrgang dringend benötigten Heringsnachwuchses, kritisiert beispielsweise der WWF:

»Das ist ökologisch nicht vertretbar und tritt sämtliche Bemühungen, die Heringsbestände und die Küstenfischerei zu bewahren, mit Füßen.«

Dr. Finn Viehberg, Leiter des WWF-Büros Ostsee

Auch die bündnisgrüne Landtagsfraktion hat für die erteilte Genehmigung der Landesbehörde kein Verständnis.

»Offensichtlich geht die Landesregierung für eine Handvoll Euro mehr für die Betreiber höchstes Risiko im Tier- und Umweltschutz. Die Miete für die vor Anker liegenden Arbeitsschiffe bekommt den Vorzug vor dem Schutz des Herings.«

Hannes Damm, klima- und energiepolitischer Sprecher Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MV, Pressemitteilung vom 9. Januar 2024

27. Dezember 2023

Gascade beantragt beim Bergamt Stralsund eine Genehmigung zur Verlängerung der Bauzeit. Damit räumt das Unternehmen ein, dass die Bauarbeiten an der LNG-Pipeline nicht wie geplant bis Jahresende abgeschlossen werden können. Als Grund für die Verzögerung gibt der Gasnetzbetreiber den Sturm an der Ostsee im Oktober 2023 an. Dieser hätte die Arbeiten an der Anbindungs-Pipeline für das LNG-Terminal beeinträchtigt. Es gehe hierbei um das Wiederherstellen des Oberbodens am Meeresgrund in zwei Bereichen von insgesamt 3,3 Kilometer Länge sowie der Steinbedeckung in einem Bereich von etwa 3,5 Kilometer Länge.

Das Bergamt veröffentlicht den Genehmigungsentwurf (Planfeststellungsbeschluss) nach den Weihnachtsfeiertagen und teilt mit, Anfang Januar 2024 die Entscheidung bekanntgeben zu wollen. Massive Kritik kommt vom Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei.

»Ich finde es ehrlich gesagt erschreckend.«

Dr. Christopher Zimmermann, Leiter Thünen-Institut für Ostseefischerei

Die bündnisgrüne Fraktion im Schweriner Landtag fordert das Bergamt Stralsund auf, den Antrag abzulehnen. Sie weist darauf hin, dass durch den engen Zeitplan stets ein hohes Risiko bestanden habe, dass der Bau des LNG-Terminals und der Pipeline nicht vor Jahresende fertiggestellt werden kann.

»Unter keinen Umständen darf das Bergamt Stralsund den Antrag auf Erweiterung der Bauzeit für Januar und Februar genehmigen.«

»Die Befürchtungen, dass dem stark gefährdeten Ostsee-Hering während der anstehenden Laichzeit endgültig der Garaus gemacht wird, könnten deshalb sehr bald wahr werden.«

Hannes Damm, klima- und energiepolitischer Sprecher Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MV

»Verzögerter Pipeline-Bau könnte Nachwuchs des Ostsee-Herings gefährden«, Tagesspiegel, 28. Dezember 2023


14. Dezember 2023

Der Gasnetzbetreiber Gascade will im Bereich des Greifswalder Bodden an mehreren Unterwasserbaustellen die LNG-Pipeline mit Sediment und Steinen abdecken. Es verdichten sich die Hinweise, dass diese Bauarbeiten nicht rechtzeitig bis zum Ende des Jahres 2023 abgeschlossen werden können.

In der Befragung der Landesregierung räumt Heiko Geue (in Vertretung für Wirtschaftsminister Reinhard Meyer) gegenüber dem Abgeordeten Hannes Damm ein, dass die Arbeiten an der Anbindungs-Pipeline für das LNG-Terminal voraussichtlich nicht bis zum 31. Dezember 2023 fertiggestellt sein werden. Ab dem 1. Januar 2024 gilt laut Planfeststellungsbeschluss jedoch ein absolutes Bauverbot wegen der beginnenden Laichsaison des Ostsee-Herings.

»Seit 20 Jahren hat die Zahl der Heringslarven im Greifswalder Bodden drastisch abgenommen. Jede Störung des Laichgeschehens verschlechtert die Situation weiter. Die Landesregierung kann nicht einerseits die Krise der Küstenfischerei beklagen und anderseits den Hering, den Brotfisch der Fischer, mit vermeidbaren Baumaßnahmen im Greifswalder Bodden gefährden. Die Baggerarbeiten müssen unbedingt am Ende des Jahres unterbrochen werden.«

Hannes Damm, klima- und energiepolitischer Sprecher Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MV, Pressemitteilung vom 14. Dezember 2023

Wie es begann ↑


Steckbrief des Herings

Heringsschwarm an der Wasseroberfläche © Demian Tejeda-Benitez/Unsplash

Name: Atlantischer Hering
Wissenschaftlicher Name: Clupea harengus
Lebensweise: lebt in Schwärmen von mehreren tausend Fischen, Vorkommen im Freiwasser in 150 bis 350 Meter Tiefe, wandert zur Nahrungsaufnahme an die Oberfläche
Nahrung: Kleinkrebse, Fischlarven und anderes tierisches Plankton
Größe: bis 45 cm
Gewicht: bis 1 kg
Alter: bis 25 Jahre
Laichreife: 2. bis 9. Jahr


Der Hering: »Brotfisch« der Küstenfischerei

Warum ist der Hering so wichtig für die Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern?

Der Hering ist der „Brotfisch“ der Küstenfischer*innen in Mecklenburg-Vorpommern. Von jeher hatte er eine große Bedeutung bei den Fängen und für den Verdienst in der Fischerei. Noch heute macht er 70 Prozent der Fänge aus.

Doch die Einführung der industriellen Schleppnetzfischerei und menschengemachte Umweltveränderungen wie Überdüngung, Verschmutzung und Erwärmung des Ostseewassers durch die Erderhitzung haben zu einem massiven Rückgang der Heringsbestände geführt.

1974

wurden allein in den Fischereihäfen der damaligen DDR, dem heutigen Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns, rund 70.000 Tonnen Hering gefangen. Diese hohe Fangmenge zeigte bereits eine gewisse Übernutzung der Heringsbestände an.

2022

waren die Bestände des westlichen Ostsee-Herings so stark gesunken, dass EU-weit nur noch 788 Tonnen gefangen werden durften. Für Deutschland bedeutete das eine Fangmenge von 435 Tonnen. Im Jahr 2017 hatte die deutsche Fangquote noch 15.670 Tonnen betragen.

Mit dem Rückgang der Heringsbestände sank auch die Zahl der Küstenfischer*innen. Im Jahr 1990 gab es noch etwa 1.400 von ihnen. Heute sind es im Haupterwerb nur noch 118.

Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Küstenfischerei bis heute stark von Existenzproblemen betroffen ist. Es wird erwartet, dass die verbliebenen Fischereibetriebe mittelfristig ihr Gewerbe an der Küste aufgeben müssen.