BÜNDNISGRÜNE starten Beteiligungsprozess für Landesklimaschutzgesetz // Oehlrich: „Effektiver, sozial gerechter Klimaschutzist große Chance für MV“

Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gestern im Rahmen einer Pressekonferenz in Schwerin einen ersten Entwurf für ein Klimaschutzgesetz für Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt und dazu einen umfassenden Beteiligungsprozess gestartet. Der Gesetzentwurf ist ab sofort unter klimaschutz-gesetz-mv.de einsehbar und die Fraktion wird in den kommenden Monaten mit Bürger*innen im ganzen Land, sowie Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Sozialwesen in einen aktiven Austausch darüber eintreten, wie effektiver, wirtschaftlich erfolgreicher und sozial gerechter Klimaschutz in Mecklenburg-Vorpommern konkret aussehen kann. Der Beteiligungsprozess wird sowohl digital, als auch durch Veranstaltungen mit persönlichem Austausch vor Ort umgesetzt. Bis zum 18. Oktober 2024 haben alle Menschen in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit Fragen, Hinweise, Änderungsvorschläge, Lob und Kritik per Mail an beteiligung@klimaschutz-gesetz-mv.de zu senden.

Constanze Oehlrich, BÜNDNISGRÜNE Fraktionsvorsitzende, macht deutlich, wie soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz in Mecklenburg-Vorpommern zusammen funktionieren können und warum sich die Fraktion für einen umfassenden Beteiligungsprozess entschieden hat:

„Effektiver, sozial gerechter Klimaschutz ist eine große Chance für Mecklenburg-Vorpommern. Als Flächen- und Küstenland mit viel Sonne und viel Wind haben wir die besten Voraussetzungen. Wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen, werden mehrere zehntausend neue Arbeitsplätze im Land entstehen – Arbeitsplätze mit guten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen. Klimaschutz ist Umweltschutz und Wirtschaftsförderung in einem.

Bei allen Vorteilen und Chancen des Klimaschutzes sind wir uns der Herausforderungen und der kritischen Stimmen gegenüber Klimaschutzmaßnahmen bewusst. Gerade bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, wo Löhne und Vermögen eher gering sind, braucht es mehr als nur warme Worte, um sicherzustellen, dass es am Ende nicht die Schwächsten trifft. Daher sind uns zwei Aspekte besonders wichtig: ein ‚Überforderungsverbot‘ im Gesetz und ein umfassender, öffentlicher Beteiligungsprozess, noch bevor wir den Gesetzentwurf in den Landtag einbringen.

Durch Klimaschutzmaßnahmen dürfen keine unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen für Einzelne entstehen. Um unbillige Härten auszuschließen, enthält unser Vorschlag ein ‚Überforderungsverbot‘ – denn Klimaschutz geht nur gemeinsam.

Es ist uns ein zentrales Anliegen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Klimaschutzmaßnahmen aktiv mitgestalten können. Der Schutz unseres Klimas betrifft uns alle. Mit dem Beteiligungsprozess stellen wir sicher, dass die wertvollen Erfahrungen und Sichtweisen von Bürger*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der Praxis Eingang in die weitere Entwicklung des Gesetzentwurfs finden. Demokratie lebt vom Mitmachen.“

Zum Auftrag aus dem Grundgesetz und der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, ergänzt Oehlrich:

„Es ist unsere politische Verantwortung und unsere verfassungsgemäße Aufgabe, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Manuela Schwesig übernimmt für den Klimaschutz jedoch keinerlei Verantwortung. Anstatt ein sozial ausgewogenes und die Wirtschaft förderliches Klimaschutzgesetz vorzulegen, verharrt die Regierung in Stillstand. Nach unzähligen Verschiebungen kann derzeit niemand sicher sagen, ob die Regierung in dieser Legislatur überhaupt noch ein Klimaschutzgesetz zu Stande bekommt. Auch deshalb hat unsere Fraktion vor einigen Monaten entschieden, nicht weiter zu warten, sondern einen eigenen Vorschlag für sozial gerechten Klimaschutz, der auch unsere Wirtschaft voranbringt, vorzulegen.

Sozial gerechter Klimaschutz in Mecklenburg-Vorpommern ist möglich und voller Chancen. Wir freuen uns sehr auf den Austausch im Beteiligungsprozess und laden alle Menschen in Mecklenburg-Vorpommern zum Mitmachen ein. Gemeinsam finden wir die besten Lösungen!“

Hannes Damm, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und klimapolitischer Sprecher der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion, wirft einen vertieften Blick auf die wirtschaftlichen Chancen und erläutert einige Details zum vorgelegten ersten Entwurf für ein Landesklimaschutzgesetz:

„Wenn wir unsere Standortvorteile entschlossen nutzen, können bis zu 50.000 neue, gut bezahlte Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern geschaffen werden. Errichtung, Betrieb und Wartung von Solar- und Windanlagen, nachhaltige Neubau- und Sanierungsmaßnahmen, Netzausbau und Ertüchtigung weiterer zentraler Infrastrukturen – viele Firmen stehen in den Startlöchern und wollen unter den richtigen Rahmenbedingungen zügig investieren.

Effektiver Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus, sie bedingen einander. Moderne Unternehmen erwarten, dass sie zuverlässig und günstig erneuerbare Energien beziehen und damit produzieren können. Wenn sie sich zukünftige Märkte erschließen und Gewinne erwirtschaften, können sie auch zuverlässige Arbeitgeber sein und gute Arbeitsbedingungen und Löhne für die Menschen in unserem Land bieten.

Unser Vorschlag gibt den Unternehmen zudem die dringend benötigte Planungssicherheit für ihre Investitionen. Mit klaren, verbindlichen Zielen auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2035 und umfassender Förderung und Beratung können Wirtschaft und Gesellschaft massiv von der Transformation profitieren.

Insbesondere können Gemeinden und Bürger*innen große Vorteile von Erneuerbaren Energien haben, wenn es denn gut gemacht wird: Gemeinden mit 5 Windanlagen würden nach unserem Vorschlag mit ca. 200.000 Euro pro Jahr und alle Bürger*innen im Umkreis mit zusätzlich gut je 100 Euro im Jahr profitieren. Eine solche Novellierung des Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetzes als Teil unseres Klimaschutzgesetzes bringt pro Jahr über 150 Millionen Euro ein, die den Kommunen und den Menschen direkt zugute kommen. Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern profitieren doppelt: Direkt persönlich und darüber, dass ihre Gemeinde mehr Geld für Sport, Radwege und Spielplätze zur Verfügung hat.

Ministerpräsidentin Schwesig verkennt nicht nur die wirtschaftlichen Chancen, sie sieht sich noch nicht einmal durch die aktuellen, dramatischen Klimadaten zu entschlossenem Handeln veranlasst.

2023 war bereits das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Und in 2024 liegen wir nochmal deutlich darüber: Dieses Jahr werden wir die 1,5 Grad aller Wahrscheinlichkeit nach erstmalig überschreiten. Wir befinden uns zudem mitten im größten Artensterben seit über 60 Millionen Jahren und mit unserer Küstenlage und der großen Relevanz der Landwirtschaft haben wir auch ein besonders hohes Eigeninteresse an effektivem Klimaschutz. Trotz dieser Situation haben wir in Mecklenburg-Vorpommern kein Klimaschutzgesetz. So darf es nicht weiter gehen, denn: Jedes Zehntel Grad zählt!“


Hintergrund und Hinweise:

1. Zum Beteiligungsverfahren und zum weiteren Zeitplan für den Gesetzentwurf:

– Unter klimaschutz-gesetz-mv.de ist der erste Entwurf für ein „Klimaschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern“ der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion ab 15.8.2024 vollständig einsehbar.

– Expert*innen, Fachverbände und Institutionen können ihre Rückmeldungen zum Gesetzentwurf bis zum 21.9.2024 online und bei einer in Rostock stattfindenden Fachveranstaltung in den Prozess geben.

– Für Bürger*innen gibt es bis zum 18. Oktober 2024 die Möglichkeit Fragen, Hinweise, Änderungsvorschläge, Lob und Kritik per Mail an beteiligung@klimaschutz-gesetz-mv.de zu richten. In Greifswald wird dann im Oktober auch ein großes Bürgerforum zum Gesetzentwurf stattfinden.

– Die Einreichung des überarbeiteten Gesetzentwurfes erfolgt am 30.10.2024 zur Landtagssitzung und ersten Lesung am 13. November 2024.

– Am 12. März 2025 wird voraussichtlich die zweite Lesung und Abstimmung über den Gesetzentwurf im Landtag erfolgen.

2. Zu den in den Statements benannten verfassungsmäßigen Pflichten zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen:

Artikel 20a GG:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

In Artikel 12, Absatz 1, Satz 1 der Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern heißt es zudem:

„Land, Gemeinden und Kreise sowie die anderen Träger der öffentlichen Verwaltung schützen und pflegen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die natürlichen Grundlagen jetzigen und künftigen Lebens und die Tiere. Sie wirken auf den sparsamen Umgang mit Naturgütern hin.“

3. Zum bisherigen Agieren der Landesregierung bzgl. eines Klimaschutzgesetzes:

– Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag im November 2021 unter Punkt 178 in Zeile 1082 vereinbart: „Wir werden in einem breiten Dialogprozess ein Klimaschutzgesetz für Mecklenburg-Vorpommern erarbeiten und umsetzen,“

– Die Regierungsfraktionen haben im Landtag im Februar 2022 einen ersten Beschluss zum Klimaschutzgesetz gefasst, dort heißt es in der Begründung dass „eine schnelle Reduzierung der anthropogenen Treibhausgasemissionen dringend erforderlich [ist], um die erheblichen globalen und regionalen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen.“.

– Im Dezember 2022 kündigte Minister Backhaus an, dass das Klimaschutzgesetz dem Landtag im Jahr 2023 vorgelegt werde und es hohe Priorität habe. Am 9. November 2023, also kurz vor Ablauf der selbst gesetzten Frist, wurde dann durch Minister Backhaus kommuniziert, dass dieser Zeitplan doch nicht gehalten wird. Lediglich die Ressortanhörung innerhalb der Regierung sollte noch in 2023 starten.

– In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Sandy van Baal antwortete die Landesregierung am 4. April 2024 unter laufenden Nummer 42 in der Antworttabelle, dass sie die Einbringung in den Landtag für das 4. Quartal 2024 plane.

– In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Hannes Damm antwortete die Landesregierung am 31. Mai 2024 unter Zuhilfenahme vieler ausweichender Formulierungen, dass sie den noch kurz vorher kommunizierten Zeitplan erneut nicht halten wird.

– Wenn man den eigenen Aussagen der Landesregierung zur Dauer des Beratungsverlauf aus der Sitzung des Ausschusses für Klimaschutz, Landwirtschaft und Umwelt vom 12. Januar 2022 folgt und den aktuellen Stand der Erarbeitung durch die Landesregierung betrachtet, wird deutlich, dass diese schon jetzt frühestens noch einen Beschluss des Landtags im 4. Quartal 2025 erreichen kann. Wenn, wie bereits mehrfach in den letzten zweieinhalb Jahren erfolgt, weitere Verzögerungen dazukommen, wird in dieser Legislatur kein Klimaschutzgesetz für Mecklenburg-Vorpommern mehr beschlossen werden können.

– Vor diesem Hintergrund hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag beschlossen, schnellstmöglich einen eigenen ersten Entwurf für ein Klimaschutzgesetz für Mecklenburg-Vorpommern zu erarbeiten und zu diesem einen umfassenden öffentlichen Beteiligungsprozess durchzuführen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird den Gesetzentwurf dann am 30. Oktober zur ersten Lesung in der Sitzung am 13. November 2024 und zur zweiten Lesung und Beschlussfassung am 12. März 2025 einreichen. Auf diese Weise kann schnellstmöglich ein effektives und sozial gerechtes Klimaschutzgesetz für Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet werden.


Constanze Oehlrich MdL
Fraktionsvorsitzende