8-Punkte-Plan: Nachhaltiges Bauen

Wie das Bauen Mecklenburg-Vorpommern nachhaltiger werden kann

Warum muss das Bauen nachhaltiger werden?

Der Gebäudesektor ist weiterhin eine der größten Hürden für die Erreichung der Klimaneutralität. In Mecklenburg-Vorpommern verursachte er 2018 rund 14 % der Gesamtemissionen. Bundesweit ist hier der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase seit 2014 kaum gesunken und lag im Jahr 2021 auf etwa unverändert hohem Niveau. Bundesweit ist der Gebäudesektor damit noch nicht auf einem Weg, auf dem die rechtzeitige Erreichung der Klimaneutralität sichergestellt ist.1 Das liegt einerseits daran, dass in vielen Gebäuden noch mit fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl geheizt wird. Oftmals sind Gebäude zudem noch nicht ausreichend gedämmt beziehungsweise unsaniert, sodass hohe Wärmeverluste auftreten – das steigert den Energieverbrauch und -kosten sowie den Treibhausgasausstoß. Andererseits spielt die sogenannte „graue Energie“ eine enorme Rolle, also Emissionen aus Herstellung und Instandhaltung des Gebäudes, die somit bereits unabhängig von der Nutzung des Gebäudes anfallen. Der Anteil grauer Energie am Gesamtenergiebedarf eines Gebäudes liegt zwischen 40 und 60 %.2 Allein die Zementherstellung verursacht weltweit 8 % der globalen Treibhausgasemissionen.3

Hinzukommt, dass unsere heutigen Städte extrem anfällig für Klimafolgen sind: durch einen hohen Grad an Versiegelung durch Straßen und Gebäude drohen bei Starkregen Überflutungen. Im Sommer heizen sich Städte besonders auf, die Temperaturen können im Vergleich zum Land um 10 Grad höher liegen und damit insbesondere für die alternde Bevölkerung ernsthafte Gesundheitsrisiken darstellen.4


14 %

der Gesamtemissionen verursachte der Gebäudesektor 2018 in Mecklenburg-Vorpommern.

10 °C

höher können im Sommer die Temperaturen in Städten im Vergleich zum Land liegen.

25,4 %

der Wohngebäude in Mecklenburg-Vorpommern sind unsaniert, 46,7 % teilsaniert.


Wie sind die Rahmenbedingungen?

Bei all dem ist klar, dass Bauen und Wohnen wieder bezahlbar werden muss. Daher müssen innovative Möglichkeiten zum effizienten, nachhaltigen Bauen dringend genutzt und Planungen beschleunigt werden, um ein höheres Angebot zu schaffen. Es ist zu begrüßen, dass Bund und Länder im Rahmen des Deutschlandpaktes Vereinfachungen bei Nutzungsänderungen im Bestand, harmonisierte Typengenehmigungen und ein Entfallen der Stellplatzpflicht bei Umbauten und Aufstockungen beschlossen haben.5 Planungsbeschleunigung und Vereinheitlichung darf aber nicht auf Kosten der Nachhaltigkeit gehen.

Das Gebäudeenergiegesetz und das Wärmeplanungsgesetz leisten richtungsweisende Beiträge zum Umbau der Wärmeversorgung. Damit werden Bürger*innen auch vor der fossilen Kostenfalle bewahrt: in den nächsten Jahren werden sich fossile Brennstoffe stark verteuern, ab 2027 wird es eine ansteigende Bepreisung durch die Einführung eines europäischen Emissionshandels für den Gebäudesektor geben (ETS II). Nicht zuletzt durch auskömmliche Förderprogramme ist der Umstieg auf erneuerbares Heizen allerdings schon heute wirtschaftlich. Ambitionierte Energieeffizienzstandards sind zudem nachweislich keine entscheidenden Kostentreiber im Neubau und bewirken über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sogar hohe Einsparungen.6

Zur Erreichung der Klimaziele bedarf es in den nächsten Jahrzehnten daher oftmals auch Sanierungen, um den Gebäudebestand zu halten und dessen Effizienz zu steigern. Die ostdeutschen Bundesländer bieten besonders gute Rahmenbedingungen, da hier etwa der Anteil der vollsanierten Altbauten doppelt so hoch wie im Westen Deutschlands liegt. Unsaniert sind nur 27 % der Gebäude, also zehn Prozentpunkte weniger als im Westen.78

Ein weiterer Vorteil in MV: Es gibt gute Rahmenbedingungen, alternative, nachhaltige und regionale Baustoffe aus sogenannter Paludikultur zu nutzen, also aus der Bewirtschaftung nasser Moore, die damit gleichzeitig zu klimafreundlichen Kohlenstoffspeichern werden. Hier braucht es aus der Politik verstärkte Starthilfen.

Um diese Chancen zu nutzen müssen die Weichen insbesondere im Klimaschutzgesetz MV gestellt werden. In diesem Rahmen ist als substantieller Beitrag insbesondere die Novellierung der Landesbauordnung in MV im Sinne des energie- und ressourcenschonenden Bauens und Sanierens voranzubringen.


Die Novellierung der Landesbauordnung MV muss folgende 8 Punkte beinhalten, um nachhaltiges Bauen unbürokratisch und effizient zu ermöglichen:

Nachhaltigkeitsprinzip explizit verankern

Der Neubau von Gebäuden geht noch zu oft mit enormen Emissionen einher. Das Baurecht muss daher mit ökologischen Ansprüchen in Einklang gebracht werden, indem Nachhaltigkeit und die Verantwortung für künftige Generationen in die allgemeinen Anforderungen an Bauten (§ 3 LBauO MV) konkretisiert aufgenommen werden. Insbesondere muss hier der Grundsatz verankert werden, dass die bestehende Bausubstanz möglichst erhalten und geschützt wird. Flächeneffizienz, Klimawandelanpassung, Ressourcenschonung, Artenschutz und Biodiversität sind an dieser Stelle als Grundsätze des nachhaltigen Bauens explizit zu nennen. Eine gesetzliche Regelung kann hier in Anlehnung an § 1 Absatz 5 im Baugesetzbuch (BauGB) und, §1 Absatz (2) Raumordnungsgesetz (ROG) und §1 Absatz 5 BauGB. auf Grundlage des Vorschlags der Bundesarchitektenkammer (BAK) vorgenommen werden.

Solarnutzungspflicht für Dachflächen

Potentiale für Photovoltaikanlagen auf baulichen Anlagen werden zu oft noch nicht genutzt. Dabei ist Photovoltaik ein zentraler Bestandteil zum Erreichen der Treibhausgasneutralität im Stromsektor. Dabei haben auf Dächern installierte Anlagen den Vorteil, dass sie bereits versiegelte Flächen nutzen und sich keine Konflikte etwa mit Natur oder Landwirtschaft ergeben. Aktuell sind Photovoltaikanlagen dank Tiefstpreisen außerordentlich günstig zu haben. Die Nutzung eigenen Solarstroms reduziert die Stromrechnung, sodass sich anfängliche Investitionskosten nach einigen Jahren amortisieren. Daher muss die Installation von Photovoltaikanlagen auf Dächern von Neubauten von Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie bei Dachsanierungen künftig verpflichtend sein. Die Installation ist jeweils auf der größtmöglichen dafür geeigneten Dachfläche vorzunehmen, sodass das technisch-wirtschaftliche Optimum ausgeschöpft wird, das Ziel sollte 75% der Nettodachfläche sein. Offene Parkplätze mit mehr als 20 Stellplätzen sind ebenso verpflichtend mit Photovoltaikanlagen zu überdachen. Bei Reihen- und Doppelhäusern sollen zudem Abstände zu Grenzwänden (Trenn- und Brandwände) auf Dächern entfallen. Solaranlagen sollen bei der Berechnung von Abstandsflächen außer Betracht bleiben.

Ressourcenschutz und Bauen im Bestand

Durch eine Reduktion des Flächenverbrauchs werden Landschaftsräume, wertvolle Böden und Räume zum Erhalt der Biodiversität geschützt. Zudem verringern sich CO2-Emissionen, die bei der Trockenlegung von Flächen entstehen. Demgegenüber lässt sich durch einen Fokus auf Innenentwicklung bestehende Infrastruktur wie Straßen oder Trinkwasserversorgung nutzen, was Instandhaltungskosten auf einem geringeren Niveau hält. Durch Umbauten und Aufstockungen von Bestandsgebäuden anstelle eines Neubaus lassen sich zudem Emissionen aus grauer Energie sowie die Ressourcennutzung drastisch reduzieren. Daher ist das Bauen im Bestand künftig zu erleichtern, indem bei geringfügigen Änderungen wie Aufstockungen um bis zu zwei Vollgeschosse, Flächenzubauten um bis zu 25 % und Nutzungsänderungen die ursprüngliche Gebäudeklasse erhalten bleibt. Bei Dachgeschossaufbauten soll die Nachrüstungspflicht für Aufzüge und die Anpassung von Brandschutzanforderungen entfallen. Abstandsflächenregelungen für Umbauten an Bestandsgebäuden sollten flexibilisiert und Abweichungen vereinfacht zugelassen werden. Altbaustandards wie Schall- und Brandschutz sowie Raumhöhen sollen bei Auf-, An- und Umbauten akzeptiert werden. Abweichungen und Befreiungen sollten beim Umbau im Gebäudebestand grundsätzlich erleichtert ermöglicht werden.

Verdichtung und Stadtgrün kombinieren

Nachverdichtung im Gebäudebestand darf nicht auf Kosten der Qualität der Freiflächen gehen. Insbesondere im Sinne der Klimawandelanpassung sowie der Lebensqualität innerhalb von Siedlungen sind begrünte Freiflächen von zentraler Bedeutung, da sie das Stadtklima durch die Schaffung von Kapazitäten zur Kühlung durch Verdunstung verbessern und Rückhaltekapazitäten für Regenwasser und damit Überschwemmungsresilienz schaffen. Daher ist bei der Nachverdichtung von Grundstücken zukünftig mit dem Bauantrag ein qualifizierter Freiflächengestaltungsplan verpflichtend vorzulegen. Damit soll die Schaffung von mehr Begrünung, eine hohe Aufenthaltsqualität, wirksamer Hitzeschutz, die Fähigkeit zum Regenwasserrückhalt und die Wahrung der Artenvielfalt im Quartier gewährleistet werden. Unvermeidbarer Flächenverbrauch für Gebäude soll durch verpflichtende Dach- und Fassadenbegrünungen klimawirksam kompensiert werden. Beim Neubau sowie bei Dachsanierungen sind Dächer mit einem Neigungswinkel von bis zu 20° bis auf Bereiche notwendiger technischer Anlagen und nutzbarer Freibereiche sowie Bereiche, in denen die Erfüllung der Photovoltaikpflicht einer Begrünung entgegensteht, vollständig zu begrünen. Sofern eine Begrünung des Dachs ohne wesentliche statische Änderungen nicht möglich ist, sind alternative Begrünungen nachzuweisen oder herzustellen.

Kosten sparen durch Energieeffizienz

Energieeffizienz schont nicht nur das Klima, sondern ist auch wirtschaftlich. Anfängliche Mehrkosten von zwei bis sieben Prozent stehen Energieeinsparungen über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes und einer Unterstützung durch staatliche Förderung gegenüber. Energieeffizientes Bauen ist damit kein Kostentreiber beim Bauen, im Gegensatz zu hohen Grundstückspreisen, dem Bau von Stellplätzen und Tiefgaragen. Durch höhere Effizienz, die über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht, entstehen die geringsten Lebenszykluskosten. Diese Potentiale sind oftmals unbekannt. Die Einhaltung von Energieeffizienzstandards werden im Bauantragsverfahren nicht überprüft. Daher sollten GEG-Energienachweise künftig bereits gemeinsam mit dem Bauantrag verpflichtend eingereicht werden. Darüber hinaus sollte die Umsetzung stichprobenartig überprüft werden. Außerdem müssen Kommunen verpflichtet werden, jeden Bebauungsplan durch ein Energieeffizienz- und Klimaschutzkonzept, orientiert an den Anforderungen aufgrund der Pariser Klimaziele, zu untersetzen und dieses umzusetzen.

Verkehrswende und Flächeneinsparung – Anpassung der PKW-Stellplatzpflicht

Zu oft sind Städte mehr auto- als menschengerecht. Dabei beanspruchen Autos durch Stell- und Parkplätze enorme Flächenkontingente. Die Schaffung von Tiefgaragen ist kosten- und energieintensiv. Daher sollte beim Neubau die Schaffung von Stellplätzen künftig nicht mehr verpflichtend sein. Die Herstellung von Stellplätzen soll zudem ganz oder teilweise durch die Kommune untersagt werden können, sofern das Grundstück durch den öffentlichen Personennahverkehr angemessen und barrierefrei erschlossen ist oder die öffentlichen Wege im Bereich des Grundstücks oder die nächsten Verkehrsknoten durch den Kraftfahrzeugverkehr ständig oder regelmäßig zu bestimmten Zeiten überlastet sind oder ihre Überlastung zu erwarten ist, wie es etwa bereits in der Hamburger Bauordnung geregelt ist. Davon unberührt sollen Stellplätze für Menschen mit schwerer Gehbehinderung und für Rollstuhlnutzer*innen bleiben. Nachweispflichtig und priorisiert sollen künftig geschützte Stellplätze für Fahrräder, Rollatoren und Kinderwagen sein.

Holzbau erleichtern

Nachwachsende Baustoffe wie Holz bieten einen mehrfachen Klimaschutzeffekt. Sie ersetzen nicht nur energie- und emissionsintensive konventionelle Baustoffe, sondern speichern auch Kohlenstoff, der der Atmosphäre entzogen wurde. Holzbau lässt sich zudem heutzutage brandsicher, wasserbeständig und mit deutlich kürzeren Bauzeiten im Vergleich zu Ziegeln und Ortbeton realisieren. Holz hat eine hohe Druckfestigkeit und ist dabei vergleichsweise leicht. Daher müssen die technischen Anforderungen an den Holzbau an die bauphysikalischen Eigenschaften des Baustoffs Holz angepasst werden, etwa in Hinblick auf Statik und Brandschutz. Der Einsatz von Holz als tragendes Bauteil muss auch in höheren Gebäudeklassen einfacher möglich werden.

Nachhaltige, regionale Baustoffe nutzen

Natürliche Baustoffe bieten ein großes Potential zum Klimaschutz im Bausektor. Bei Baustoffen etwa zum Decken von Dächern oder zur Dämmung aus sogenannter Paludikultur ist die Klimaschutzwirkung sogar dreifach: neben dem Ersetzen klimaschädlicher Baustoffe und der Kohlenstoffspeicherung werden sie auf wiedervernässten Mooren angebaut, die im vormals trockengelegten Zustand hingegen massive Emissionsquellen sind. Für Mecklenburg-Vorpommern besteht hiermit auch ein enormes regionales wirtschaftliches Potential. Die Nutzbarkeit innovativer, nachhaltiger Baustoffe muss daher deutlich vereinfacht werden, indem über Kriterienkataloge und Checklisten die Vereinbarkeit mit Bauproduktregeln überprüft und darüber ein vereinfachtes, beschleunigtes Zulassungsverfahren ökologischer Baustoffe realisiert werden kann. Bauproduktregeln (§ 17 LBauO MV) sind in Hinblick auf Nachhaltigkeitsstandards wie Ressourcen- und Energieinanspruchnahme und Treibhausgaspotenzial im Lebenszyklus sowie die Rückführbarkeit in geschlossene Stoffkreisläufe anzupassen und zu erweitern.


8-Punkte-Plan Nachhaltiges Bauen in MV zum Download:


Quellen:

1 Bundesumweltamt: Berechnung der Treibhausgasemissionsdaten für das Jahr 2021 gemäß Bundesklimaschutzgesetz (PDF)

2 Forschungsprogramm Zukunft Bau: Graue Energie im Ordnungsrecht/Förderung (PDF)

3 WWF Deutschland: Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie, (PDF)

4 ARD alpha: Warum es in Städten besonders heiß ist – und was dagegen hilft, 15. Juni 2022

5 Maßnahmen der Bundesregierung für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft, 25. September 2023

6 Bundesumweltamt: 13 Thesen für einen treibhausgasneutralen Gebäudebestand Drängende – Herausforderungen der Wärmewende, Dezember 2020 (PDF)

7 GEG 2024 – Vergleich des Ost-West-Gebäudebestandes, Mai 2023

8 Anteil der Wohngebäude in Mecklenburg-Vorpommern nach Sanierungsstand, Sanierungsmaßnahmen und heiztechnischen Maßnahmen 2020 – 2022