16. Sitzung am 21. November 2022

Am 21.11.2022 wurden die Zeugen Fr. Th. und Michael Flenker aus dem BAO Trio M-V vom NSU–Untersuchungsausschusses geladen. Im Vordergrund der Sitzung lag die Arbeitsweise und Themenschwerpunkte des Verfassungsschutzes. Michael Flenker sagte, die Selbstenttarnung des NSU habe den Geheimdienst in eine tiefe „Sinn- und Vertrauenskrise“ gestürzt. Neben der Kritik am Verfassungsschutz ging es auch um einen der Aufenthalte des Kerntrios in MV. Im Jahr 1992 lernte sie in einem Campingplatz in Krakow Menschen kennen, die sie später in Rostock besuchten. Davon wohnte einer in der Nähe des Tatortes, bei welchem Mehmet Turgut erschossen wurde.

Der erste Zeuge der Sitzung war Fr. Th., Leiter des Einsatzabschnitts „Folgemaßnahmen“ des BAO Trio M-V. Nach der Selbstenttarnung übernahm sein Abschnitt Nachtermittlungen zum NSU, insbesondere zu Kontakten nach M-V. Er fasste aus seiner Sicht die wichtigsten Informationen zu den NSU Tätigkeiten zusammen: Erstens die gefundene Campingplatzreservierung des NSU Trios auf Rügen für das Jahr 2012, welche keine weiteren Ergebnisse ergab. Zweitens die von der BAO Trio MV angeregten Bemühungen des BKA, bundesweit Campingplätze nach Daten seit 1992 abzufragen. Weiterhin wurden die Kontakte des Kerntrio nach M-V untersucht, die sie 1992 beim Camping in Krakow am See schlossen. Später habe das Trio die Bekannte in Rostock besucht. Die Vernehmungen dieser Personen habe das BKA ohne Beamten*innen aus M-V vorgenommen, da sie nicht mehr im Bundesland lebten. Lediglich An. Sy. sei nach Bekanntwerden der Verbindungen für eine Gefährdungsansprache aufgesucht worden. Die Ermittlungen zum NSU-Kartenmaterial und der in Krakow am See gefundenen CD, die Bezüge zum NSU aufgewiesen habe, verliefen ins Leere.

Die Durchsuchungen bei David Petereit seien vom BKA geführt und von Beamt:innen aus MV nur unterstützt worden. Diese waren erfolgt, nachdem antifaschistische Recherchen zeigten, dass Petereit sich in der von ihm herausgegebenen Szene-Zeitschrift „Weisser Wolf“ beim NSU bedankt hatte. Der Brief zur Übersendung der Spende, dessen Entwurf in der Wohnung des NSU-Kerntrios in Zwickau gefunden wurde, war bei den Durchsuchungen gefunden worden. Der Zeuge konnte sich jedoch nicht daran erinnern.

Auf Nachfrage konnte sich der Zeuge kaum an Personen aus MV erinnern, die auf mögliche Bezüge zum NSU untersucht wurden. Der Name An. Za. sei ihm noch in Erinnerung, jedoch keine Details zu ihr. Ebenso zu Mi. Ku., der die Szene-Zeitschrift „Fahnenträger“ herausgegeben habe.

Auf Vorhalt, es habe auch zum Auftrag der BAO Trio MV gehört, eigene Ermittlungsverfahren einzuleiten, gab Fr. Th. an, dass ein Verfahren wegen Bedrohung eingeleitet worden sei. An Details könne er sich jedoch nicht erinnern.

Zum Aufbau der BAO Trio MV sagte er, dass er Einsatzabschnittsleiter wurde, da er auch in seinem allgemeinem Dezernat im LKA für das Thema zuständig gewesen sei. Es sei bemerkenswert, dass die BAO Trio MV kein regionaler Einsatzabschnitt der BAO St Trio des BKA war. Das sei nach seiner Ansicht nicht hinderlich, aber unlogisch gewesen, da andere Länder mit ähnlichen Bezügen zum NSU über regionale Einsatzabschnitte verfügt hätten.

Der zweite Zeuge, Michael Fl. war seit 1992 beim Verfassungsschutz M-V und vor seinen Ruhestand dessen stellvertretender Leiter. Er berichtete über Bezüge seiner Arbeit zum NSU. Bis 2011 habe es solche nicht zum NSU-Kerntrio gegeben, da dessen Taten nicht als politisch motiviert eingeordnet wurden. Es habe wenige Dokumente mit Hinweis auf das Trio gegeben, die zwischen 1995 und 2004 von anderen Behörden übermittelt worden seien, ohne dass sie auf den NSU oder dessen Verbrechen hinwiesen. Das Treffen von Ralf Wohlleben und Carsten Schultze mit Eisenecker am 5.2.1999, bei dem es über eine anwaltliche Vertretung Zschäpes für Rückkehrverhandlungen gesprochen werden sollte, sei vom Verfassungsschutz im Auftrag des Thüringer Landesamtes observiert und das Ergebnis dorthin mitgeteilt worden. Für die von Beate Zschäpe im NSU-Prozess getätigte Aussage, sie habe sich mit Eisenecker getroffen, gebe es in den Akten keine Belege.

Nach 2011 seien zahlreiche Hinweise auf mögliche Unterstützer ohne Ergebnis geprüft worden. Dies betreffe etwa die „41er-Liste“ des GBA mit Namen möglicher Unterstützer sowie die 1998 in der Garage des Trios gefundenen Telefonliste, auf der sich auch Namen aus Rostock befunden hatten. Dass einer der Personen in der Nähe des späteren Tatorts, an dem Mehmet Turgut ermordet wurde, gewohnt habe, lasse es möglich erscheinen, dass das Trio den Ort schon daher gekannt habe. Zum Kameradschaftsbund Anklam, an dessen Jubiläumsfeier Andre Eminger teilnahm, gebe beim Verfassungsschutz einen umfangreichen Aktenbestand, der aber keine Hinweise auf den NSU enthalte.

Zum Thema Weisser Wolf sei er auch überrascht gewesen, dass das Heft mit der Danksagung für die Spende beim Verfassungsschutz nicht vorhanden gewesen sei. Die Deckblattmeldung seiner Behörde, die über die Spende berichtete, habe aber keinen Hinweis auf den NSU enthalten. Sie sei an die Verfassungsschutzbehörden in Berlin und Brandenburg weitergeleitet worden, nicht jedoch an das Bundesamt. Die Gründe hierfür seien ihm unklar.

Anschließend gab er einen generellen Überblick zu Entwicklung der rechtsextremen Szene, sob Skinheads in den 1980ern in der DDR über „die Ereignisse“ von Rostock-Lichtenhagen und die Herausbildung der Kameradschaftsszene in den 1990ern und deren Verbindung zur NPD in den 2000ern. In der unorganiserten Szene habe sei Gewalt weit verbreitet gewesen, während die NPD ein taktisches Verhältnis zur Gewalt gehabt habe.

Auf Nachfrage gab er an, dass sich im Rückblick hätte mehr Mühe gegeben werden sollen, Heft 18 des Weissen Wolfs zu beschaffen. Eine Spende n Höhe von 2.500 € habe aber keine Verwunderung ausgelöst, da es immer wieder Meldungen über Spenden von Altnazis gegeben habe.

Man habe sich allgemein schon vorstellen können, dass ein einsamer Wolf mordend durchs Land ziehe, aber man habe beim Rechtsterrorismus eher an Sprengstoffanschläge gedacht wie bei der Hepp-Kexel-Gruppe. Auf Vorhalt des Verfassungsschutzberichts 1995, in dem im Gegensatz zu den folgenden Jahren über Wehrsportübungen, zirkulierende Waffen und Sprengstoff sowie Diskussionen um bewaffneten Kampf berichtet wurde, gab Flenker an, dass es damals wohl entsprechende Hinweise gegeben habe, die sich dann wohl nicht verdichtet hätten.

Zum Personal des Verfassungsschutzes gab er an, dass viele nicht beim Verfassungsschutz ausgebildertBei Details zu der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes verwies er auf die Geheimhaltung und seine beschränkte Aussagegenehmigung. Über die Unfähigkeit des Verfassungsschutzes, die Morde und Banküberfälle des NSU in einen rechten Kontext einzuordnen, zeigte er sich erschüttert, nahm aber zeitgleich seine Behörde in Schutz. Er meinte, dass er keine Alternative in den kritisierten V-Mann-System sehe, welches mitunter den NSU finanziell unterstützt hatte. Weitere wichtige Strukturen seien Blood&Honour und die Hammerskins gewesen.