21. Sitzung am 06. März 2023

In der 21. Sitzung des NSU–Untersuchungsausschusses wurde der Zeuge No. Wi.vernommen. Er war von 1998 bis 2001 für das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) VP-Führer von Tino Brandt, der wichtigsten Thüringer Quelle im NSU-Umfeld. Durch diese hatte er von dem gelanten Treffen von Ralf Wohlleben und Carsten Schultze beim Neonazi-Anwalt Hans Günter Eisenecker im Februar 1999 in Goldenbow erfahren und war zur Einweisung des Observationsteams nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Neben der Observation waren auch weitere Erkenntnisse der Verfassungsschutz-Quellen zu Verbindungen zwischen Naziszenen Thüringen und M-V Thema der Vernehmung.

No. Wi. erklärte zu Beginn, sich nicht auf die Vernehmung vorbereitet zu haben. Seit 20 Jahren habe er keine Akten zum Thema gesehen und sei lediglich bei Befragungen in anderen Untersuchungsausschüssen damit befasst gewesen.

Zur Observation des Treffens in Goldenbow am 05.02.1999 berichtete der Zeuge, diese sei vom damaligen Leiter des Beschaffung des TLfV beauftragt und vom Verfassungsschutz M-V in Amtshilfe durchgeführt worden. Er sei zur Vorbereitung nach Mecklenburg Vorpommern gefahren, habe die Observation besprochen und der Observationsgruppe Lichtbilder vorgelegt und sei dann wieder zurück gefahren. Bei der Observation selbst sei er nicht anwesend gewesen.

Ziel der Observation sei gewesen, den Wahrheitsgehalt der Quellenmeldung zu überprüfen, d.h. den Hinweis von Brandt zu bestätigen, dass sich Wohlleben und Schultze mit Eisenecker trafen. Das sei erfolgreich verlaufen. Es habe zudem die Hoffnung bestanden, dass auch noch eine Person aus dem NSU-Kerntrio auftauchen würde. Dann wäre unmittelbar die Polizei benachrichtigt worden, um sie festzunehmen. Wohlleben und Andre Kapke hätten ständig Kontakt zu Uwe Böhnhardt gehalten. Fotos von Böhnhardt seien aber nicht nach M-V gebracht worden, da dort ja ohnehin die Fahndung nach dem Trio bekannt gewesen sei. Er wisse auch nicht, ob den beiden (Wohlleben und Schultze) nach dem Treffen nachgefahren worden sei.

Die Identifizierung von Wohlleben und Schultze sei vor Ort wohl dadurch erfolgt, dass sie mit einem hinlänglich bekannten Fahrzeug ankamen und dazu der Halter festgestellt werden konnte.

Dem Zeugen wurde vorgehalten, er habe nach dem Treffen in Goldenbow von Brandt erfahren, dass eine unterschriebene Vollmacht von Zschäpe an Eisenecker übergeben werden sollte. Diese reichte Eisenecker mit dem Antrag auf Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft Gera ein. No. Wi. erklärte, bis heute sei ungeklärt, wie die Vollmacht zu Eisenecker gelangt sei. Die Frage sei aber nicht nach Mecklenburg-Vorpommern übermittelt worden.

Allgemein könne er sagen, dass Eisenecker verschiedene Personen des Thüringer Heimatschutzes (THS) vertreten habe. Er kann sich aber nicht erinnern wie oft. Mindestens einmal habe Eisenecker Brandt vertreten. Das sei aber vor seiner Zeit als VP-Führer gewesen. Der Kontakt Eiseneckers nach Thüringen habe sich in einer Zeit abgespielt, als die Thüringer NPD vom Thüringer Heimatschutz gezielt unterwandert wurde.

Nach weiteren Personen aus dem NSU-Umfeld befragt, gab der Zeuge an, dass Mario Brehme mit Brandt den THS gegründet habe. Er habe später in Bayern Jura studiert. Es sei möglich, dass er ein Praktikum bei Eisenecker gemacht habe. Er könne sich daran aber nicht erinnern.

Zu Thomas Starke berichtete No. Wi., dass dieser aus Chemnitz sei. Später sei bekannt geworden, dass er V-Mann des LKA Berlin gewesen sei. Zur sächsischen Szene habe man sich mit dem dortigen Verfassungsschutzes ausgetauscht, der für etwaige Maßnahmen durchgeführt habe.

Zu Andre Kapke gab der Zeuge an, dieser sei der Führer der Kameradschaft Jena gewesen und habe jahrelang Kontakt zum NSU-Kerntrio und zu Wohlleben gehabt. Darauf angesprochen, dass Kapke nach Aktenlage am 4.4.1998 in Rom bei Parchim teilgenommen habe, das von den Blood&Honour-Sektionen Sachsen und Mecklenburg organisiert worden war, sagte No. Wi., daran könne sich nicht konkret erinnern. Allgemein könne er sagen, dass Kapke Spendensammler für das NSU-Kerntrio gewesen sei. Zur Rolle der Konzerte sagte der Zeuge, diese sei für die Szene wichtig für die Vernetzung gewesen. Wenn man nicht zu Demonstrationen gefahren sei, habe man sich bei Konzerten getroffen.